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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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Familie?«
    »James war … er ist geschieden. Und die Ehe war kinderlos.«
    »Sie sollen einmal gesagt haben, Medina würde eines Tages noch von einem eifersüchtigen Ehemann umgebracht werden?«
    Kamarov lachte erneut lang und herzlich.
    »Der Aufbau eines Markenzeichens, Frau Kommissarin. Nichts verkauft sich so gut wie ein schlechter Ruf. James pflegte seinen Ruf als Schürzenjäger, auch wenn ihn das seine Ehe gekostet hat.«
    »Gilt das auch für das Gerücht über Medinas Geldsorgen?«
    »Seine Exfrau hat ihn mit ihren Unterhaltsforderungen ziemlich ausgenommen. Aber das ist ja üblich. Ihr Exmann hat ja auch Geldsorgen, wenn ich richtig informiert bin.«
    Cathrine legte den Notizblock zur Seite. So kamen sie nicht weiter. Kamarov war nur vordergründig bereit zur Zusammenarbeit. Bis jetzt hatte er nur Andeutungen und unbrauchbare Aussagen von sich gegeben. Sie war sich nicht sicher, was sie davon halten sollte. Stand er noch immer unter Schock? Hatte er zu viel Sambuca am frühen Morgen getrunken? Hatte er etwas zu verbergen, oder war er ganz einfach ein unhöfliches Arschloch? Egal, auf jeden Fall hatte Kamarov sich mit diesem Gespräch nicht von der Liste der möglichen Verdächtigen gestrichen.
    »Ich glaube, das reicht für heute, Herr Kamarov. Ich kann allerdings nicht ausschließen, dass ich nach Wien komme, um unser Gespräch fortzusetzen.« Sie stand auf. »Ich finde allein hinaus.«
     

Das Unglück
    Kamarov erwartete den Chauffeur, der ihn zum Flughafen bringen sollte, erst in einer Stunde, und legte sich noch einmal aufs Bett. Aber es gelang ihm nicht, seine Gedanken im Zaum zu halten. Immer wieder führten sie ihn zu dem Nachmittag, an dem er Medina zum ersten Mal begegnet war.
    Sie hatten sich auf Anhieb verstanden. Medina hatte ihm geholfen, die Koppstraße zu finden, wo er seine erste Wohnung gemietet hatte. Sie hatten mit Champagner angestoßen, und noch bevor Medina nach Hause gegangen war, war er unmittelbar auf dem Bett eingeschlafen.
    Ein paar Stunden später war er aus dem Schlaf aufgeschreckt. Sein Puls raste, und es pochte in seinen Ohren. Weder ein Albtraum noch der erregende Gedanke an eine Frau hatte ihn geweckt. Es war die Wolfsstunde, die ihn in eine abgrundtiefe Finsternis stürzte und seine Zuversicht und Lebenslust betäubte, sodass er sich klein und wertlos fühlte. Chaos und Zufälle steuerten die Welt, und die Chance, es zu etwas zu bringen, erschien ihm verschwindend gering. Nur zu gut wusste er, dass nachts alles düsterer aussah, aber unter der Johann-Strauss-Statue hatte er eindeutig besser geschlafen als jetzt in seiner neuen Wohnung. Er hatte das Gefühl, in einem Sarg zu wohnen. Die winzige schwarze Fensterluke oben unter der Decke verriet ihm, dass der Morgen mit seinem Lachen und seiner Lebenslust noch weit entfernt war.
    Er dachte an Tante Galina, die ihm das Klavierspielen beigebracht hatte. Wie oft hatte er sich über die ausgetretene Treppe bis zu ihr hoch in den fünften Stock geschleppt? In ihre Wohnung, die so vollgestopft war mit geplatzten Träumen. Während sie widerborstigen Kindern Läufe und Etüden einbläute, verlosch ihr Leben langsam. Ein Leben, das ebenso gut auf den Konzertbühnen der Welt hätte stattfinden können, wäre sie in einem anderen Land geboren. Victor war ihr Sonnenschein gewesen, der Lichtblick, der sie am Leben hielt. Sie sah ihre eigene, ungelebte Karriere aus dem Staub auferstehen und hörte ihre eigene Musikalität in der intuitiven Art des Jungen, mit der er die großen Meister zu musikalischem Leben erweckte. Technik war für Victor Kamarov kein Thema. Die Finger gehorchten seinen Gedanken blitzschnell, und am besten ging es, wenn er seinen Kopf ganz ausschaltete und die Musik fließen ließ wie Strom durch einen Glühdraht.
    Es war Tante Galina gewesen, die ihm den Weg geebnet hatte, an dem Wettbewerb teilzunehmen. Sie hatte dafür Kontakt mit einer alten Liebschaft aufgenommen, die sie in Wien gehabt hatte, als sie ein paar Monate als Austauschstudentin am Konservatorium gewesen war. Mit tränenfeuchten Augen und einem stillen, unergründlichen Gesichtsausdruck hatte sie Victors Abschied aus Moskau beigewohnt. Sie wusste, dass er nie wieder zurückkommen würde.
    Ein Schrei zerriss die Stille seiner Gedanken. Der Schrei einer Frau. Ein lang gezogener Schmerzensschrei. Etwas hämmerte gegen seine Wohnungstür. Victor stand auf und öffnete. Ein Mann mit slawischem Äußeren stand breitbeinig über einer Frau, die strampelnd am

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