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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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einfachsten Regeln der Anrede auf Kriegsfuß steht und alles vermasselt?«
    »Ich opfere dir meine ganze Zeit, betreibe seriöses Management, ein Büro …«
    »Ein Büro in der Gumpendorferstraße? In der Gumpendorferstraße hat außer Zuhältern niemand ein Büro!«
    Gina kam mit sauberem Wasser zurück. Sie war blass und ihre Stimme klang unsicher. »Da ist jemand … der mit dir reden will, Victor.«
    Richter, der Hauswirt aus der Koppstraße, betrat lautlos den Raum. Er setzte sich selbstbewusst auf Kamarovs Schreibtisch, rückte sein Toupet zurecht, sah sich mit einem gehässigen Grinsen um und sagte: »Hierin haben Sie also die Siegprämie investiert? Ich bin immer auf dem neusten Stand, wissen Sie. Sie glauben doch nicht, ich hätte Sie vergessen?«
    Er roch nach altem Tabak, Knoblauch und Suff. Ein Hauch von Unheil. Gina wienerte unermüdlich auf einem Fleck. Richter legte eine handschriftliche Rechnung auf den Schreibtisch, während er Gina mit dem Blick festnagelte: »Dein Freund ist am nächsten Tag zurückgekommen.«
    »Stan?« Gina hielt einen Augenblick inne, dann wischte sie hektisch weiter.
    »Stan«, antwortete Richter. »Mit allen seinen Freunden. Was dachtest du denn? Einem Kerl wie Stan bricht man nicht einfach die Nase.«
    Richter nahm Victor ins Visier. »Ich soll Grüße ausrichten, war aber so freundlich, sie nicht auf eure Fährte zu hetzen. Stan und ich haben ein gutes Verhältnis, aber seine Freunde …« Richter schüttelte besorgt den Kopf. »Sie waren so enttäuscht darüber, dir nicht jeden Knochen einzeln brechen zu können, dass sie stattdessen die Wohnung komplett zerlegt haben, deren Mieter du nach wie vor bist. Das sind impulsive und unbeherrschte Jungs.«
    Richter tippte mit dem Finger auf die Rechnung.
    »Das ist für die Renovierung der Wohnung, dazu kommen fällige Mietrückstände. Ich nehme doch an, dass der große Manager Kamarov seine Rechnung umgehend begleicht. Falls nicht, werde ich leider mit Stan telefonieren müssen.«
    Victor erhob sich zitternd vor Wut. »Wenn Sie das tun, mache ich eigenhändig Gulasch aus Ihnen. Und jetzt raus hier, Sie Kloakenratte!«
    Richter grinste und sah Gina an. Sein unreiner Atem streifte sie. »Wie Sie wollen.« Er lachte leise vor sich hin, stand auf, streckte die Arme in die Luft und gähnte geräuschvoll. Sein Blick glitt von Gegenstand zu Gegenstand, als wollte er Victor signalisieren, dass er sich jedes Detail merkte.
    »Denken Sie daran, Wien ist ein Dorf«, sagte er. »Und in einem Dorf weiß jeder über jeden Bescheid.«
    Richter strich Gina zärtlich übers Haar, machte die Tür auf und ging. In diesem Augenblick fasste Victor den Entschluss, das zu tun, was er lange hinausgezögert hatte.
    »Hast du den ganzen Liebestrank drauf?«
    James nickte.
    »Nächste Woche singst du ihn in der Staatsoper.«
    »Nemorino?« Victor erinnerte sich, wie Medina sich aufgerichtet hatte und ihm zum ersten Mal wie ein Mann erschienen war. Er war schlanker und muskulöser geworden, und sein Gesicht strahlte jetzt Charakter und Selbstbewusstsein aus. Das Haar, das Medina bis dahin kurz getragen hatte, wellte sich in schwarzen Locken, nicht unähnlich dem jungen Domingo. Der Weltstar James Medina begann Form anzunehmen, und Victor gefiel, was er sah. Aber das würde er James gegenüber niemals laut sagen.
    »Aber die Rolle singt doch Francesco Arpata? Ist er krank?« Trotz der physischen Veränderung war Medina nach wie vor unverdorben naiv.
    Victor hatte den Jackenkragen hochgeschlagen, den Kopf in den Nacken gelegt und Zähne gezeigt. »Jetzt ist Schluss! Wir haben lange genug die Clowns gegeben.« Daraufhin hatte er geheimnisvoll einen Finger an die Lippen gelegt.
    Victor stand mit einem Ruck auf. Wie lange hatte er so in Gedanken an früher gesessen? Er öffnete die schwere Bürotür und warf einen Blick in den Empfangsraum. Niemand da. Die Kerzen vor Medinas Porträt brannten. Als er sie löschte, dachte er: Es ist vorbei. Sinnlos, sich länger damit aufzuhalten. Manche Erinnerungen erweckt man besser nicht wieder zum Leben.
     

Im Café Museum
    »Ich muss mit dir reden.«
    Gina konnte es nicht benennen, aber irgendetwas in Victors Stimme war ihr unangenehm. »Worüber?« Gina schrubbte weiter den Büroboden. Ihre Hände waren von den Putzmitteln gerötet.
    »Nicht hier. Gehen wir ins Café Museum.«
    Victor summte unterwegs ein gefälliges Thema und wedelte elegant mit dem rechten Arm, als dirigiere er ein imaginäres Orchester. Das Café

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