Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
Vom Netzwerk:
Museum war bekannt dafür, immer sehr verraucht zu sein, und auch heute legte sich der Zigarettenqualm wie ein beschwichtigender Schleier über die Alltagssorgen und dämpfte die Eindrücke, denen man ausgesetzt war. Der Rauch gewährte den Gedanken Fluchträume und den Träumen Nahrung.
    Gina würgte, sie hatte schon immer empfindlich auf Zigarettenrauch reagiert, und hier konnte sie kaum atmen.
    »Mélange oder gewöhnlichen schwarzen Kaffee?«
    Mit einem Mal wusste Gina, was ihr Angst machte. Victor legte eine so ungewohnte Leichtigkeit an den Tag, eine unnatürliche Hochstimmung, die nicht zu ihm passte. Er zündete sich eine Zigarette an, strich sich über den glattrasierten Kopf und blies den Rauch durch die Nase aus. Dann legte er seine kaputte Hand über Ginas knochigen Finger.
    »Du weißt, dass ich versprochen habe, dich zu beschützen.«
    »Ja«, sagte Gina kaum hörbar in dem surrenden Geräuschpegel, der sich mit dem Rauch mischte.
    »Was meinst du, habe ich mein Versprechen gehalten?«
    Gina nickte nur.
    »Ich bin nicht dieser Meinung«, sagte Victor. »Ich möchte, dass es dir gut geht, Gina, richtig gut. Aber allein bin ich nicht in der Lage, dir das zu ermöglichen. Du musst mir helfen, damit wir einen Fuß auf den Boden bekommen und es uns irgendwann wirklich gut geht.«
    Gina starrte in den braunweißen Kaffee, den sie unermüdlich mit der linken Hand umrührte, weil Victor ihre rechte festhielt. Wenn er so anfing, wollte er etwas von ihr. Etwas, um das er nicht gerne bat, das zu bekommen er aber wild entschlossen war. Um sie herum saßen Intellektuelle, die über ihre Luxussorgen diskutierten und nebenbei bequem die Probleme der Welt lösten, während alternde, in ihren Smokings schwitzende Kellner Tabletts mit Kaffee und Wassergläsern zwischen den Tischen und der Theke hin- und hertrugen. Das Nachmittagsidyll der akademischen Oberklasse. Gina befürchtete, dass das zerbrechliche Dasein, das sie mit Victor und James teilte, im Zusammenbruch begriffen war.
    »Was willst du damit sagen? Ich will mit niemandem tauschen.«
    »Wenn du und ich …, wenn wir beide James behilflich sein könnten, ein Engagement zu bekommen, ginge es uns allen besser, würden wir alle daran verdienen.«
    »Aber das probieren wir doch schon die ganze Zeit.«
    »Ja, aber bisher ohne Erfolg. Ich weiß jetzt aber, woran das liegt.«
    Gina sagte nichts. Victors mühselig aufgebaute Argumentation verunsicherte sie und machte ihr Angst.
    »Es liegt an mir. Weil ich Russe bin. Niemand will einen Tenor, der ein Russenschwein wie mich als Manager hat.« Victor legte seine Hand auf Ginas linke, um das frenetische Rühren zu stoppen. »Findest du das fair?«
    Sie vermied es, Victor in die Augen zu sehen.
    »Ist das Fair Play?«
    Gina kamen die Tränen. Sie verstand nicht, worauf er hinauswollte, ahnte aber, dass der Ausgang schmerzhaft sein würde. Wenn sie mit Ja antwortete, würde eine endlose Tirade folgen, um ihr das Gegenteil zu beweisen. Aber was würde geschehen, wenn sie mit Nein antwortete?
    »Ich weiß nicht, ich kenne mich mit Oper nicht aus.«
    »Das hat nichts mit Oper zu tun, sondern mit dem Wert eines Menschen. Haben wir vielleicht kein Recht auf Wohlstand und Glück? Soll uns das verwehrt bleiben, bloß weil ich Russe bin? Du, Gina, bist geboren, um in einem Schloss zu wohnen. James Medina ist möglicherweise eins der größten Gesangstalente, das die Welt je gesehen hat. Er kann berühmter werden als Pavarotti und Carreras zusammen. Und das alles soll der Welt vorenthalten bleiben, nur weil die, die am Hebel sitzen, korrupt sind?« Victor war in Fahrt gekommen. »Ist es nicht ein Verbrechen an der Kunst, an uns selbst und an James, wenn wir ihn jetzt im Stich lassen? Wenn wir ihn jetzt sich selbst überlassen? Ist dir aufgefallen, wie niedergeschlagen er ist? Ich befürchte, eine solche Mitteilung würde er nicht überleben.«
    »Aber wir haben doch gar nicht vor, James im Stich zu lassen?« Gina fand ihr verschleiertes Flehen um Gnade erbärmlich. Was wollte Victor, und warum argumentierte er so lange, bis sie nicht mehr wusste, wo die Wahrheit endete und die Lüge begann? Sie verlor den Überblick und hatte keine Kraft mehr, sich zu wehren.
    »Aber genau das tun wir, wenn wir tatenlos zusehen. Der größte Verrat von allen ist doch, zu wissen, dass wir etwas hätten tun können, und es nicht zu tun.«
    »Was können wir denn noch tun? Du hast doch gesagt, dass James nächste Woche an der Oper singt!«, sagte Gina

Weitere Kostenlose Bücher