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Tödlicher Applaus

Tödlicher Applaus

Titel: Tödlicher Applaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Øystein Wiik
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gewonnene Freiheit und seinen Erfolg richtig auszukosten. Das Schlimmste aber war, dass er sich mit seiner schwülstigen Verteidigungsrede selbst jeden Ausweg verbaut hatte. Er hätte sich ohrfeigen mögen. Hätte er nicht diesen emotionalen Monolog gehalten, was er Anna zuliebe alles unternommen hatte, hätte er sie zu einer Abtreibung überreden können. Aber jetzt war das unmöglich.
    »Das muss gefeiert werden!«, sagte Victor. Er zog seinen Mantel an und hielt Anna das Cape hin. »Wie nehmen uns die Hochzeitssuite im Imperial.«
     

Netzsuche
    Tom Hartmann war nicht Mitglied der Netcommunity Facebook, er hatte immer gedacht, das wäre nur etwas für Jugendliche. Trotzdem saß er jetzt am Schreibtisch seines Hotelzimmers und gab den Zugangscode für das Netzwerk des Hotels ein. Die Suite, die Kamarov für ihn gebucht hatte, war groß, hell und luxuriös. Von dem eleganten Eingangsbereich zweigten das Bad und ein Ankleidezimmer ab, von wo aus eine Tür in einen Raum mit sonnenblumengelben Wänden und gefütterten Vorhängen in warmen Erdtönen führte. In der Mitte stand ein großes Messingdoppelbett, das die Sofagruppe von der Arbeitsecke auf der anderen Seite des Zimmers trennte. Der Schreibtisch stand in einer Fensternische unter der Dachschräge. Von dort bot sich ein interessanter Blick über die Dächer der umstehenden Gebäude, versehen mit zahllosen Schornsteinen, Lüftungsrohren und Antennen.
    Tom füllte das Anmeldeformular für Facebook aus: Name, E-Mail-Adresse, Passwort. Um ein eigenes Profil zu erstellen, musste er ein paar einfache Fragen beantworten. Bei »Beziehungsstatus« schwankte er zwischen »single« und »das ist kompliziert«, was wahrscheinlich die ehrlichste und treffendste Antwort gewesen wäre. Am Ende hatte er sich aber doch für »single« entschieden. Zum Teufel mit Matthias Marstrander. Unter »Auf der Suche nach« hatte er spontan »Freundschaft« angekreuzt und danach etwas zögerlich »Verabredung«. Da ihm ein Foto fehlte, hatte er Homer Simpson eingefügt. Im Grunde genommen war er recht zufrieden mit seinen ersten Schritten im Facebook.
    Anschließend gab er »James Medina« ein und klickte auf »Suchen«. Es wurden jede Menge Foren angezeigt, in denen man Mitglied werden konnte. Er scrollte die Seite nach unten und stieß auf »Medinas Witwen« : eine Gruppe Frauen, die um Medina trauerten. Es waren bereits Fotos von der Beerdigung eingestellt worden, eingerahmt vom Logo der Witwen: Rose und Schleier.
    Die Gruppe zählte bereits über dreitausend Mitglieder. Tom seufzte und begann, sich durch die Namensliste zu klicken, obgleich er eigentlich mit dem Kapitel über die Trauerfeierlichkeiten beginnen sollte. Die meisten Frauen hatten Fotos von sich ins Forum gestellt, sodass er alle, die ihr nicht ähnlich sahen, überspringen konnte. Ebenso wenig achtete er auf die Namen, die nicht norwegisch klangen. Was seine Suche aber zusätzlich erschwerte, war die Tatsache, dass ständig neue Mitglieder, auch mit norwegischen Namen, hinzukamen. Er klickte vor und zurück, es war die reinste Sisyphusarbeit, die aller Wahrscheinlichkeit nach in einer Sackgasse enden würde.
    Als er mehr oder weniger durch war, hatte er acht Namen ausgefiltert. Drei der Frauen hatten kein Bild eingestellt, zwei waren mit Schleier abgebildet. Die drei übrigen wiesen eine gewisse Ähnlichkeit mit ihr auf. Zwei der Fotos, Porträts von Frauen mit großen Sonnenbrillen, waren von so schlechter Qualität, dass sie jede beliebige norwegische Blondine hätten zeigen können. Das letzte Foto zeigte eine Frau, deren ganzer Körper abgebildet war. Sie hatte ziemliche Ähnlichkeit, aber die Frisur war anders. Er beschloss, allen die gleiche Meldung zu schicken: »Hei, ich bin in Wien. Treffen wir uns auf einen Kaffee?«

Schweigen ist Gold
    »Was hast du dir dabei gedacht?«
    Rudi brach als Erster die Stille, nachdem sie eine halbe Ewigkeit gefahren waren. Er schien enttäuscht zu sein, aber auch aufrichtig besorgt. Katja fühlte sich wie ein Kind, das ins Büro des Rektors gerufen worden war, weil es gegen die Schulregeln verstoßen hatte.
    »Ich hab mir nicht so viel dabei gedacht, bloß gehofft …« Katja suchte nach den richtigen Worten.
    »Was gehofft?« Rudi musterte sie über den Rand seiner Sonnenbrille hinweg. Sein Blick war vorwurfsvoll.
    »Dass ich darüber hinwegkomme … Ich kann an nichts anderes mehr denken. Ich hatte gehofft, wenn ich dort bin … könnte ich einen Strich unter alles

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