Tödlicher Applaus
Schlimmste.«
»Ich möchte mich natürlich nicht aufdrängen …«, sagte Richter und nahm die Hand weg. Steen atmete innerlich auf. »Aber ich kenne jemanden, der Ihnen möglicherweise helfen könnte. Nichts Dramatisches, selbstverständlich. Aber der Mann könnte das eine oder andere über Ihren Schwiegersohn in Erfahrung bringen.«
Steen sagte nichts.
»Verkehrt er nicht in osteuropäischen Kreisen?«
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, ich weiß im Grunde genommen herzlich wenig über meinen Schwiegersohn.«
»Wie wollen Sie Ihrer Tochter helfen, wenn Sie nicht ausreichend informiert sind?« Richter legte seine Hand auf Steens Hand.
Steen war sich nicht sicher, ob ihm diese Vertraulichkeit gefiel, aber es war nicht leicht, diesem Mann etwas abzuschlagen. Und der Gedanke, Kamarov unter Beobachtung zu stellen, war verführerisch.
»Sie sind ein anständiger Mann, Steen. Sie haben es verdient, zu wissen, ob Ihre Tochter in guten Händen ist. Lassen Sie mich ein paar Untersuchungen anstellen. Vielleicht fällt mir ja jemand ein, mit dem Sie Kontakt aufnehmen können. Natürlich nur, wenn Sie wollen. Wie lange werden Sie in Wien bleiben?«
Steen zog die Schultern hoch. Er fühlte sich überfahren und außerstande, auf Richters Hilfsangebot zu reagieren. »Ein paar Tage bin ich schon noch hier. Ich wohne im SAS-Hotel am Parkring. Ich denke, ich sollte jetzt besser …« Steen fühlte sich unwohl. Warum hatte er sich diesem Mann überhaupt anvertraut? Michael Steen erhob sich. Er wollte raus hier, so schnell wie möglich.
»Das geht auf mich«, sagte Richter. »Gehen Sie in Ihr Hotel. Sie brauchen Ruhe. Ich werde mich morgen bei Ihnen melden.«
»Nicht nötig. Vergessen Sie’s … Ich …«
Richter unterbrach Steens Proteste und half ihm auf die Beine. »Soll ich Ihnen ein Taxi rufen?«
»Nein danke, es ist nicht weit zu gehen. Frische Luft wird mir … Wiedersehen.« Steen schwankte nach draußen.
»Auf Wiedersehen!«
Richters Abschiedsgruß folgte ihm wie ein Echo bis ins Hotel.
Intermezzo
Victor lag in dieser Nacht lange wach. Anna war erschöpft eingeschlafen, nachdem sie miteinander geschlafen hatten und Victor russische Schlaflieder für sie gesungen hatte. Alles war genau wie in der kurzen Zeit in Moskau gewesen, in der sie zusammengelebt hatten. Danach war die frischverheiratete Anna nach Stockholm zurückgekehrt, um ihrem Vater bei der Beschaffung der Ausreisegenehmigung für ihren Ehemann behilflich zu sein. Als Victor sie schließlich erhalten hatte, war er noch am gleichen Tag mit dem Zug nach Wien gefahren.
Er deckte den zierlichen, schlafenden Körper gut zu. Arme Anna, sie traf keine Schuld. Sie war nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen und hatte sich obendrein in den falschen Mann verliebt. Er hatte zu keinem Zeitpunkt ehrliche Absichten ihr gegenüber gehabt. Er hatte immer nur in den Westen gewollt.
Victor ging ins Bad und zog sich den weißen Hotelbademantel mit dem goldenen Imperial-Emblem an. Er liebte den Luxus. Er war das Ziel, die eigentliche Triebfeder seines Lebens. Luxus in jeder Form. Alles Schöne und Wunderbare, das seit jeher wenigen Auserwählten vorbehalten war. Er wollte einer dieser Auserwählten sein. Doch bis dahin war es noch ein Stück Weg. Er musste ein Haus finden, in dem er mit Anna leben konnte, sie würde ihr Kind gebären, und er würde schuften wie ein Schwein, bis er so reich und mächtig war, dass Michael Steens spröde Hände ihn nicht mehr erreichen konnten. Danach würde er sich von Anna scheiden lassen und endlich frei sein. Frei zu tun, was immer er wollte.
Aber was war mit Gina? Hatte er Gina nicht eine Zukunft versprochen? Eine Zukunft, in der sie beide eine Rolle spielten? Doch, das hatte er. Erst vor wenigen Tagen, als er sie gebeten hatte, das größte Opfer zu bringen, das er von einer Frau verlangen konnte, hatte er es ihr hoch und heilig versprochen …
Victor betrachtete sein Spiegelbild in dem großen Panoramafenster. Er hatte ein Versprechen gegeben, aber Versprechen waren dazu da, gebrochen zu werden. Unter ihm lag Wien, die Metropole der Musik. Die Lichter der Stadt funkelten wie Himmelskörper. Seine Zukunftsaussichten waren glänzend. E lucevan le stelle , dachte Kamarov. Und die Sterne leuchteten.
Eine delikate Angelegenheit
Tom überprüfte noch einmal sein Handy. Es war sauteuer, im Ausland eine E-Mail abzuschicken, aber er konnte der Versuchung nicht widerstehen. Hatten noch mehr Frauen geantwortet? Während er
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