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Toedlicher Blick

Titel: Toedlicher Blick Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Sandford
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beiden angesehen – sie könnten in Frage kommen.«
    Lucas schüttelte den Kopf. »Behalt sie im Gedächtnis, aber das sind keine Psycho-Killer. Auch Ware war dieser Meinung. Ich gehe mit Del zur St.-Patrick-Universität, wir machen bei den Befragungen mit. Der Killer steckt da unten in St. Patrick, glaub’s mir …«
    Der Rest des Nachmittags verlief für alle Beteiligten recht ermüdend. Um zwei Uhr trafen sie sich zu einer Tasse Kaffee und einem Sandwich, machten sich dann wieder an die Arbeit – redeten mit Professoren und Studenten, suchten nach Freunden oder Bekannten von Helen Qatar. Am Ende des Nachmittags waren alle Möglichkeiten erschöpft.
    »Ich bin auf einen Mann gestoßen, der in Frage kommen könnte«, sagte Del, als sie sich wieder zusammensetzten. »Einen Anthropologen, der mal Zeichenunterricht genommen hat, um Symbole und Statuen und sonstigen Scheiß in seinem Fachgebiet festhalten zu können. Er machte einen ziemlich beknackten Eindruck und schien von daher ins Bild zu passen, aber er sagte, er habe vor sechs Jahren an der Uni in L. A. promoviert und sei bis dahin nie in Minnesota gewesen. Andere Leute in seiner Fakultät haben bestätigt, dass man ihn damals tatsächlich aus L. A. hergeholt hat.«
    »Immerhin etwas«, sagte Swanson. »Ich bin auf keinen einzigen Menschen gestoßen, der in Frage kam.«
    »Ich habe es mit einem Mann zu tun gekriegt, der andeutungsweise ins Bild zu passen schien«, sagte Black. »Aber, ehm …« Er schaute zur Seite und murmelte: »Ich brauche noch ein Sandwich.«
    »Aber was?«, fragte Lucas. »Was war mit dem Mann?«
    »Er, ehm, hat sich regelrecht an mich rangemacht«, sagte Black. »Er sei nicht an Frauen interessiert, hat er geflötet – und Leute von der Verwaltung der Fakultät haben das bestätigt.«
    »Wahrscheinlich unterdrückter Hass auf Frauen«, sagte Swanson. »Während er sich an dich ranmacht, denkt er wahrscheinlich an nichts anderes, als Weiber zu erwürgen.«
    Sie kauten alle einen Moment weiter, dann fing Del an zu lachen, und Lucas und Swanson schlossen sich ihm an. Der schwule Black aber knurrte: »Ich scheiße auf euch engstirnige Arschlöcher.«
    Kurz vor dem Aufbruch fragte Lucas Del: »Cheryl und du, ihr kommt heute Abend zum Hummeressen, nicht wahr?«
    »O ja. Wir müssen diese Massenmörder-Scheiße in der richtigen Proportion halten und ein normales Privatleben pflegen.«

20
    »Ich habe nicht gedacht, dass du zu so tiefen Emotionen fähig bist, auch wenn es sich natürlich um den Tod deiner Mutter handelt«, sagte Barstad, als sie die Gerichtsmedizin verlassen hatten. »Eine Seite an dir, die ich noch nicht kenne, James. Ich finde das ermutigend und …«
    Und bla-bla-bla, dachte Qatar und schaltete sein Gehör ab. In seinen Augenwinkeln hingen noch Tränen, aber sie trockneten schnell.
    Seine Mutter … Ja, es
hatte
gute Zeiten in seiner Kindheit gegeben. Das Fahrradfahren zu lernen. Die Weihnachtsfeste. Und dann die ersten Malutensilien, die die Mutter für ihn gekauft hatte. Und wie sie, als er ganz wild darauf war, das Malen zu lernen, in den Keller gegangen war und mit dem Werkzeug seines Vaters aus einem Haufen alter Bretter eifrig eine Staffelei von fast professioneller Qalität für ihn zusammengebastelt hatte. Seine ersten Zeichenstunden. Die erste nackte Frau, eine Rothaarige …
    Und einige schlechte Zeiten.
    Er erinnerte sich gut an Howard Cord, einen Geschichtsprofessor, der rote Fliegen und Leinenanzüge zu tragen pflegte und nach Tabak und Kreide roch – und spätabends, wenn man ihn, den kleinen Jungen, zu Bett geschickt hatte, auftauchte und seine Mutter bis zur gemeinsamen totalen Erschöpfung durchbumste. Sie hatte bestimmt geahnt, dass er in seinem Zimmer direkt über ihrem Schlafzimmer alles hörte, was da unten vor sich ging, alles Stöhnen und Schreien, ja selbst das keuchende Flehen, das oder jenes zu tun. Vielleicht hatte sie sogar geahnt, dass er ein Bodenbrett gelockert und ein Loch neben einem Heizungsrohr in die Decke gebohrt hatte, um sich ansehen zu können, was da geschah. Sie zu beobachten, was sie mit diesem Mann trieb …
    Und nicht nur Howard Cord; von der Zeit an, als sein Vater die Familie verlassen hatte – er war kurz danach gestorben – und er die Schulausbildung begonnen hatte, hatte es zehn oder fünfzehn Männer dieser Art gegeben. Meistens Akademiker; seine Mutter war im Lehrkörper von St. Patrick durchgereicht worden, dann auch in dem von St. Thomas. Ein oder zwei Priester waren

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