Tödlicher Ruhm
übernehmen. Ist das für Sie keine Krise? Für mich ist es jedenfalls eine.«
»Weshalb hat er gekündigt?«
»Weil er im Gegensatz zu mir noch Reste von Berufsethos besitzt«, erklärte Fogarty bitter, während er ein Stück Schokolade in seinen Becher mit wässrigem Schaum warf, was Trisha noch nie vorher bei irgendjemandem gesehen hatte. »Als erwachsener Mensch mit hoch qualifizierter Ausbildung konnte er einfach nicht mehr länger jeden Abend zu seiner Frau und seinen Kindern nach Hause kommen und ihnen erklären, er hätte seinen gesamten Arbeitstag damit verbracht, zu dokumentieren, wie sich zwei halbe Hirne um ein Stück Käse streiten.«
»Und deshalb hat er gekündigt?«
»Ja, er hat Geraldine eine E-Mail geschickt, Hausarrest sei eine Schande für die britische Fernsehindustrie, was zufällig den Tatsachen entspricht.«
»Und was hat Geraldine getan?«
»Was glauben Sie wohl? Sie hat sich aus dem Fenster gebeugt und gebrüllt: >Ein Glück, dass wir dich los sind, du aufgeblasener Pisser<, als er gerade draußen in seinen Wagen stieg.«
»Dann war es ihr also egal?«
»Na ja, es kam sicher sehr ungelegen, besonders für mich, aber wir haben bald einen Ersatz gefunden. Die Leute kommen gern zu uns. Ich meine, wir machen >Fernsehen am Puls der Zeit<.« Fogartys Stimme troff vor Sarkasmus. »Wir sind die Speerspitze der Industrie, wir sind hip, anspruchsvoll und innovativ. Allerdings hielt man es in dieser Industrie auch für anspruchsvoll und innovativ, als die Nachrichtensprecher angefangen haben, sich vorn gegen ihre Schreibtische zu lehnen statt dahinter zu sitzen... Verdammt.«
Fogarty fischte mit einem Teelöffel in seinem Becher nach dem Schokoladenstück. Trisha schloss daraus, dass es nur außen ein wenig anschmelzen und sich nicht vollständig auflösen sollte. Menschen nehmen seltsame Gewohnheiten an, wenn sie ihr gesamtes Arbeitsleben in abgedunkelten Räumen verbringen.
»Gott, war ich neidisch auf den Burschen, der gegangen ist«, fuhr Fogarty fort. »Ich bin zum Fernsehen gekommen, um Endspiele und Grand Nationals zu schneiden! Spielfilme, Comedy, Reportagen, Musik. Und was mache ich hier? Ich sitze im Dunkeln und sehe mir zehn Schwachköpfe an, die auf einem Sofa rumlümmeln. Von morgens bis abends.«
Trisha stieß auf eines der großen Geheimnisse von Hausarrest. Die Leute, die dort arbeiteten, verachteten die Leute, die sie sich ansehen mussten.
»Es ist alles einfach so langweilig! Kein Einziger ist interessant genug, als dass man ihn sich so genau ansehen wollte, wie wir uns diese Leute ansehen... und ganz besonders nicht die Leute, die gern gesehen werden wollen. Wissen Sie, es ist eine echte Zwickmühle. Keiner, der gern in diesem blödsinnigen Haus sein möchte, ist als Mensch so spannend, dass man ihn dort haben wollte.« Fogarty starrte seine aufgereihten Fernsehmonitore an. Langes, tristes, leeres Schweigen folgte.
»Wissen Sie, am meisten hasse ich dieses Umarmen«, sagte er schließlich, »und Streicheln... aber vor allem dieses endlose Gelaber.«
»Sie sollten meinen Chef kennen lernen«, sagte Trisha. »Sie würden sich bestimmt gut verstehen.«
Wieder schwieg Fogarty, ehe er sein Thema noch einmal aufgriff.
»Wenn die Sippschaft in diesem Haus eine Ahnung davon hatte, mit welcher Verachtung wir sie hinter den Spiegeln betrachten, welche gemeinen Spitznamen wir ihnen geben... >Nasenbohrer<, >Trauerkloß<, >Der Furzer<... Wenn sie unsere vernichtenden Urteile über sie hören könnten, mit denen wir alles zerschnipseln, was sie sagen, bis es so ist, wie wir es brauchen, wenn sie wüssten, dass wir nicht den geringsten Respekt vor ihren Motiven haben... na ja, dann wären sie vermutlich am liebsten alle ermordet worden.«
31. Tag 15:00 Uhr
Coleridge und sein Team waren zunehmend entnervt, was Woggle anging. Das Problem war, dass er alle anderen Bewohner ständig überlagerte. Die Leute von Peeping Tom hatten ihn für derart »großes Fernsehen« gehalten, dass die Aufnahmen aus der Anfangszeit vor allem seine Heldentaten und die daraufhin immer frustrierteren Reaktionen der anderen Bewohner zeigten.
»Wäre Woggle ermordet worden, hätten wir gegen jeden Einzelnen von denen einen Indizienfall aufbauen können«, klagte Coleridge. »Ich kann ihn selbst schon nicht mehr sehen, und ich musste mit dem Mann nicht mal zusammenleben.«
»Man kann den Produzenten keinen Vorwurf daraus machen, dass sie ihn in den Vordergrund gestellt haben«, sagte Hooper. »Ich meine,
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