Tödlicher Ruhm
fünfundzwanzig und habe in meinem ganzen Leben weder einen vernünftigen Gedanken noch ein echtes Gefühl gehabt.«
Einen Moment lang wollte Coleridge Trisha schon beruhigen, dass dies eindeutig nicht der Fall sei, als ihm aufging, dass sie nur sarkastisch war.
»Layla, dir bleiben noch dreißig Sekunden, das Peeping-Tom-Haus zu verlassen«, sagte Chloes Stimme aus dem Fernseher.
14. Tag 21:30 Uhr
Als sie vor die Tür trat, war Layla augenblicklich in unfassbar grelles Licht getaucht, das sie und das Haus hinter ihr kreideweiß erscheinen ließ. Ein riesiger, kahler Security-Mann in gepolsterter Bomberjacke trat vor, nahm sie beim Arm und führte sie auf die Plattform eines Hebekrans, der sie unter dem Jubel der Menge über den Graben hievte. Peeping Tom war sehr stolz auf seine Verabschiedungen. Man machte so etwas wie eine Riesenparty daraus. Busweise wurden Leute herangekarrt, man zündete ein Feuerwerk und kreuzte die Lichter von Suchscheinwerfern hoch oben in der Luft. Während Layla über die kreischende Menge gehoben wurde, spielte eine Rockband live auf der Ladefläche eines Lastwagens.
Dann folgte die kurze Fahrt in der Limousine zum speziell errichteten Studio und dem Live-Interview mit Chloe, dem hübschen, prallbusigen, etwas gewöhnlichen »Gesicht« von Peeping Tom. Allerdings war Chloe nicht nur ein hübsches Gesicht wie die Mädchen, die normale Mainstream-Shows moderierten. Nein, Chloe war ein hübsches Gesicht mit einem Schlangentattoo auf dem Bauch und einem kleinen tätowierten Teufel auf der Schulter, was natürlich viel, viel cooler war. Chloe nahm Layla an der Tür der Limo in Empfang. Mit ihren schwarzen Lederhosen und dem schwarzen Leder-BH sah sie wie eine umwerfende Rockerbraut aus, während Layla in ihrem gebatiktem Seiden-Sarong und dem ausgefransten Seidenhemdchen wie eine umwerfende Hippiebraut aussah. Die Frauen umarmten und küssten einander wie verloren geglaubte Schwestern und keineswegs wie vollkommen Fremde, von denen die eine dafür bezahlt wurde, sich mit der anderen zu unterhalten.
Die Leute rasteten aus. Vollkommen. Sie johlten, jubelten, schrien, schwenkten ihre selbst gebastelten Plakate. Dieser Wahnsinn war keineswegs inszeniert, sondern wurde einzig durch die Anwesenheit der Fernsehkameras und die althergebrachte Konvention provoziert, dass sich junge, hippe Leute in der Nähe von Fernsehkameras so zu verhalten hatten.
Schließlich erstarb das Gejohle, zumindest so weit, dass sich Chloe verständlich machen konnte. So würde es während des gesamten Interviews weitergehen, es würde abwechselnd abebben und aufwallen, aber Chloe nutzte die kurze Gelegenheit, ihren eigenen überschwänglichen Gefühlen Ausdruck zu verleihen.
»Whooo!«, rief sie. »Okay! Supergeil! Voll krass! Whooo!«
Das Publikum stimmte mit diesen Empfindungen gänzlich überein und nahm das Johlen wieder auf.
Chloe legte ihren wohl trainierten, muskulösen Arm um Layla. »Lieben wir diese Braut, oder was? Ist sie nicht eine echt starke Lady?«
Weiterer Jubel und Gejohle ließen darauf schließen, dass das Publikum Layla tatsächlich sehr liebte.
»Wir sind sooooooo stolz auf dich, Mädchen, du bist echt super.«
Einmal mehr ging die Veranstaltung im Gebrüll und Geschrei unter. Chloe rang darum, sich Gehör zu verschaffen, möglicherweise aber auch nur darum klarzumachen, dass sie begeisterter als alle anderen war.
»Und wie fühlst du dich jetzt so?«, jubelte Chloe.
Die Stimmung war ansteckend. Layla grinste breit. »Geil!«, sagte sie.
»Okay!«
»Yeah, voll gut drauf.«
»Super, Süße.«
»Aber auch ziemlich spirituell.«
»Ich weiß genau, was du meinst.«
»Als wäre ich erwachsener geworden.«
»Und das bist du auch. Respekt!« Chloe wandte sich dem Mob zu und rief: »Lieben wir dieses Superweib, oder was?«
Und der Mob johlte und jubelte mit neuerlicher Energie.
»Warst du wirklich echt geschockt, dass man dich nominiert hat?«
»Ach, weißt du, im Leben ist es wie mit den Jahreszeiten, ein ständiges Kommen und Gehen. Davon bin ich wirklich, wirklich überzeugt.«
»Das ist so wahr.«
»Man muss in seiner eigenen Gedankenwelt einfach positiv sein, der Geist ist ein Garten und muss ständig gejätet werden.«
»Fantastisch, und wie war das mit Jazz? Ist er ein geiler Typ, oder was?«
»Völlig geil.«
Nachdem die tiefgründige psychologische Analyse bewältigt war, wandte sich Chloe der Riesenleinwand zu und zeigte Layla, wer sie nominiert hatte.
Zuerst kam
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