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Tödlicher Schnappschuss

Tödlicher Schnappschuss

Titel: Tödlicher Schnappschuss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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Wir sind essen gegangen, danach zum Tanzen. Alles war in
     Ordnung. Dann hat so ein Irrer einen Supermarkt mitten in Wuppertal überfallen
     und Geiseln genommen. Rate mal, wer da hin durfte, um Schlimmeres zu
     vermeiden?«
    »Der Mann, der mir
     gegenübersitzt?«
    Ulbricht nickte nachdenklich.
     Die letzten Jahrzehnte flogen vor seinem geistigen Auge vorüber.
     »Als ich am nächsten Tag nach Hause kam, hatte Wuppertal zwei
     Einwohner bei einer Geiselnahme verloren. Und ich hatte weder Tochter noch
     Frau. Beide waren mit wehenden Fahnen geflüchtet, sie hatten die Nase
     voll davon, dass ich ständig raus muss, sobald etwas passiert. Sie
     sind wohl zur See gezogen, Birgit hat schon immer vom Meer geschwärmt.
     Ein paar Mal hatte ich kurzen Kontakt zu meiner Tochter. Kontakt ist zu
     viel gesagt - eigentlich haben wir uns nur geschrieben, selten
     telefoniert. Birgit ist längst tot. Immerhin hat ihr neuer Lebensgefährte
     dafür gesorgt, dass sie zu Hause in Wuppertal beerdigt worden ist.
     Und seitdem ist mir die Lust am Familienleben vergangen. Ich habe mich
     meinem Schicksal gefügt und in die Arbeit gestürzt, um bloß
     nicht über meine beschissene Lage nachdenken zu müssen.
     Langweilig wird es in Wuppertal nie, also war das nicht so schwer, sich um
     die anfallenden Überstunden zu reißen. Aber so langsam werde
     ich alt, und ich frage mich immer öfter, was wird, wenn ich in den Ruhestand gehe. Wahrscheinlich
     werde ich so ein alter seniler Knacker, der auf Parkbänken
     herumlungert und sich über die Jugendlichen aufregt. Sie werden mich
     auslachen, vielleicht sogar zusammenschlagen, weil ich es gewagt habe,
     mein Maul aufzumachen. Aber ich kann nicht anders. So bin ich, und ich
     sage oft, was ich denke. Viel zu oft vielleicht. Und ich lasse mir von
     keinem reinreden. Ich zieh mein Ding durch, das ist das Letzte, das mir
     geblieben ist von meinem beschissenen Leben.«
    Er wich ihrem Blick aus,
     hasste es, dass seine Augen feucht schimmerten. Es war jetzt nicht der
     richtige Augenblick loszuheulen und sich selbst zu bemitleiden. Aber er fühlte
     sich einfach ausgebrannt. Das war schließlich der Grund, weshalb die
     Polizeipräsidentin ihn zum Arzt geschickt hatte. Vielleicht war es
     doch noch früh genug, die Notbremse zu ziehen. Es war an der Zeit, Jüngeren
     den Vortritt zu lassen. Aber wenn er an Frank »Brille«
     Heinrichs, seinen Assistenten, dachte, wurde ihm schlecht. Wenn Leute wie
     Heinrichs an seine Stelle rückten, würde es schlecht um die
     Stadt stehen, da war er sicher. Also machte er seinen Job bis zum bitteren
     Ende. Nur hatte er sich in der letzten Zeit zu oft gefragt, was nach dem
     Ende auf ihn wartete.
    Die ganze Situation war
     Ulbricht peinlich. Hastig griff er zu seinem Bier und schüttete es in
     sich hinein. Er hoffte, dass Maja ihn nun nicht für einen Schwachkopf
     hielt.
    »Eigentlich«,
     sagte sie, nachdem sie einen Schluck Wein getrunken hatte, »eigentlich
     bist du gar nicht so ein Arschloch.«
    »Danke für die
     Blumen.«
    Er lachte.
    »Nein, im Ernst. Ich
     hatte gedacht, du leidest unter einer Profilneurose, als ich dich auf Burg
     Polle zum ersten Mal gesehen habe. Und das hat sich ja ein Stück
     bewahrheitet, immerhin hattest du keine Scheu, die Wohnung des Toten vor
     uns aufzusuchen.«
    »Ich kann nicht anders,
     wenn ich in einem Fall stecke.«
    »Du hast Urlaub,
     Norbert.«
    Er schüttelte den Kopf.
     »Den habe ich wohl nie. Also lass mich mein Ding durchziehen.«
    »Solange du mir nicht
     in die Quere kommst, ist das in Ordnung.«
    »Ich will Vorbergs Mörder
     stellen.«
    »Das will ich auch.
     Aber ich leite die Ermittlungen, und du hast dich unterzuordnen, ist das
     klar?« Sie leerte ihr Glas und erhob sich. »So«, sagte
     sie dann energisch. »Und jetzt Schluss damit. Wir werden den Rest
     des Abends nicht an den Fall denken und auf uns trinken.«
    »Ich werde mich nicht
     wehren.«
    Erst, nachdem sie mit dem
     Glas und seiner leeren Bierflasche in der Küche verschwunden war, um
     Nachschub zu holen, seufzte Ulbricht. Er fühlte sich wohl in Majas
     Gegenwart, und das hatte wahrlich nichts mit seinen Sentimentalitäten
     zu tun. Als sie sich wieder im Wohnzimmer niederließ, verdrängte
     er die düsteren Gedanken, die ihm zu schaffen gemacht hatten.

 
    NEUN
    Als er erwachte, hatte er
     jegliche Orientierung verloren. Schlaftrunken blinzelte er in die
     Sonnenstrahlen, die durch das Fenster in den Raum fielen.

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