Tödlicher Schnappschuss
Aber
da sind meine Daten drauf, Termine, Kontakte, einfach alles. Was, wenn sie
von meinem Kontakt zu Christian Wind bekommen?«
Ein humorloses Lachen am
anderen Ende der Leitung. »Du hättest vorsichtiger sein müssen.
Dass du mit Vorberg gemeinsame Sache gemacht hast, war nicht die feine
englische Art.«
»Danke für die
Belehrung. Wie geht das denn jetzt weiter?« Alexandra Voosen war
verunsichert. »Ich war zu der Zeit, als Christian ermordet wurde,
nicht in München. Somit ist mein Alibi nicht stichfest, und das
werden die Bullen rausbekommen.«
»Lass dir ein anderes
Alibi einfallen.«
»Die werden mich für
verrückt halten.«
»Besser für verrückt
als für eine Mörderin. Lieber Pest als Cholera.«
Weise Sprüche waren das,
was sie augenblicklich am wenigsten hören wollte. Sie schwieg.
»Hör zu: Ich fand
die Idee immer schon blöd, so pflegt man keinen Kundenstamm. Wenn das
ans Licht kommt, bist du arbeitslos.«
»Es wäre niemals
rausgekommen.«
»Du hast mit ihm Kohle
gemacht, die Erpressungsgelder habt ihr geteilt, und nun ist er tot. Womöglich
hat er es mit der Angst zu tun bekommen und wollte einen Schlussstrich
ziehen. Als Bulle würde ich so etwas annehmen.
Nichts, was dich gut aussehen lässt. Denk mal drüber nach - es
ist wie es ist: Du wolltest immer mehr Geld verdienen, und er hat dir den
Hahn zugedreht. Und du konntest damit nicht umgehen und hast die
Konsequenz gezogen. Das Ergebnis ist bekannt - Vorberg ist tot, und nun
siehst du alt aus. Und ich als dritter im Bunde auch, auch wenn ich nur
die Drecksarbeit machen durfte und vom Gewinn am wenigsten abbekommen
habe.«
»Das ist Unsinn«,
wetterte Alexandra Voosen. »Was hätte ich davon, ihn
umzubringen? Damit habe ich mir einen lukrativen Nebenverdienst zunichte
gemacht.«
»Die Kunden haben brav
bezahlt, denn niemand von ihnen kann es sich leisten, mit einer
Prostituierten gesehen zu werden, geschweige denn, die Fotos in einer
Zeitung zu sehen. Also - was liegt näher, als das Geschäft
weiter auszubauen? Aber jeder, der dich kennt, weiß, dass du Geld
über alles liebst. Und wer weiß, vielleicht hat Vorberg seine
Ansprüche ja immer höhergeschraubt? Er verlangte mehr Geld von
dir, und er wurde dir zu teuer, weil dir immer weniger übrig blieb.
Fotografen gibt es wie Sand am Meer, und Vorberg war für dich
ersetzbar.«
Alexandra Voosen marschierte
ruhelos durch das kleine Fachwerkhaus. Sie kaute auf der Unterlippe, blieb
am Küchenfenster stehen und schaute hinaus in den Garten. Die Katze
strich wieder durchs Gebüsch. Als das Tier eine Bewegung am Fenster
sah, blickte sie zu ihr auf.
Die Stimme im Hörer
drang wie durch Watte an ihre Ohren.
»Vielleicht bin ich
auch in Gefahr? Immerhin bin ich dein Handlanger und erpresse die hohen
Herren für dich. Zwar verdiene ich für meine Arbeit nur einen Hungerlohn, aber wer weiß?
Vielleicht gibt es schon bald jemanden, der den Job billiger macht?«
»So etwas kann man
nicht mit jedem machen, so etwas setzt Vertrauen in die Person voraus, mit
der man zusammenarbeitet. Du weißt das so gut wie ich. Und der
Umstand, dass Christian tot ist, bringt uns beide um ein Zusatzgeschäft.«
»Ich habe nur die
Drecksarbeit gemacht«, wiederholte die Stimme im Telefon.
»Was machen wir denn
jetzt?« Alexandra Voosens Stimme klang flehend.
»Lass dir was
einfallen. Such dir einen anderen Fotografen, und alles wird gut.«
Es klickte in der Leitung. Der Mann am anderen Ende der Leitung hatte
aufgelegt. Zum ersten Mal seit Langem fühlte sich Alexandra Voosen
ganz allein auf der Welt. Daran konnte auch der Blick in die Idylle ihres
Vorgartens nichts ändern. Sie fühlte sich machtlos und
ausgeliefert, zwei Attribute, die sie nicht von sich kannte. Natürlich
liebte sie Geld über alles, natürlich war sie kalt genug, um
ihre männlichen Kunden einem Fotografen vorzuführen, um sie
anschließend mit den verfänglichen Bildern zu erpressen. Jetzt
fragte sie sich, ob sie ihr teuflisches Spiel zu lange gespielt hatte.
Brunnenplatz Bad Pyrmont,
11.55 Uhr
Ihm blieben noch knapp drei
Stunden bis zur Anwendung, und Ulbricht bedauerte, vorerst nichts im
Mordfall tun zu können. Zum Hotel zog es ihn nicht - noch nicht. So
ließ er sich vom einzigartigen Flair des Zentrums einfangen und
atmete tief durch. Die Palmen wiegten sich im seichten Wind, die
Mittagssonne
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