Tödlicher Schnappschuss
drei Kühlaggregate, in
denen es eisgekühlte Getränke gab, summten um die Wette.
Drei Kunden waren vor ihm,
bezahlten neben den Benzinrechnungen noch Dinge, die sie im kleinen
Tankstellenshop erstanden hatten - und Zigaretten. Ulbricht lenkte sich
ab, indem er die bunten Auslagen betrachtete. Heutige Tankstellen waren
kleine Supermärkte, in denen die Artikel, die man zu den regulären
Öffnungszeiten im Discounter kaufte, zu Apothekerkonditionen zu
bekommen waren. Trotzdem schien der Laden zu brummen, und als er endlich
an der Reihe war, hatte Ulbricht fast vergessen, warum er hier war.
»Ulbricht, guten Tag«,
murmelte er. »Mir gehört der Vectra in der Werkstatt. Können
Sie mir vielleicht sagen, wie es um die Reparatur steht?« Sein Gegenüber
war vielleicht vierzig Jahre alt, hatte dunkles, welliges Haar und
buschige Augenbrauen. »P. Kuhnert«, so las er den Namen des
Angestellten vom Namensschild auf der Brusttasche ab.
»Oh, Sie sind das.«
Das Gesicht des Tankwartes hellte sich auf. »Ich hätte ihn
schon längst fertig, aber eine 400-Euro-Kraft ist heute ausgefallen,
deshalb muss ich die Kasse mitmachen und komm drüben in der Werkstatt
zu nichts. Aber warten Sie, ich hole Verstärkung, dann nehme ich mir
einen Augenblick Zeit.« Er verschwand, ohne Ulbrichts Antwort
abzuwarten in einem Hinterzimmer, aus dem würziger Tabakrauch in den
Kassenraum drang. Ulbricht erwischte sich dabei, den Duft genießerisch
einzuatmen. Er überlegte, ob es schaden konnte, wenn er sich eine
Packung Zigaretten kaufte. Das musste er den Ärzten in Bad Pyrmont ja
nicht auf die Nase binden - denn er war volljährig und im Besitz
seiner geistigen Kräfte. Bevor er sich zu einem Kauf durchringen
konnte, erschien Kuhnert in Begleitung einer jungen Angestellten im
Verkaufsraum der Tankstelle. Sie lächelte Ulbricht unsicher an und
übernahm die Kasse.
»So«, sagte
Kuhnert und machte ein Zeichen, ihm zu folgen. Brav trottete Ulbricht ihm
hinterher - ohne Zigaretten. »Unsere Studentin hat ihre Pause
freundlicherweise etwas früher beendet, deshalb habe ich jetzt Luft.«
»Das ist schön.«
Seite an Seite gingen sie zur kleinen Werkstatt. Der Geruch von Öl
und Gummi bohrte sich in Ulbrichts Atemwege. Sie standen neben dem Vectra,
und mit einem Blick unter die offene Motorhaube stellte Ulbricht mit Bestürzung
fest, dass einige Bauteile des Motors ausgebaut waren. So musste eine
teure Reparatur aussehen, da war er sicher.
»Um es kurz zu machen:
Typische Opel-Krankheit: Die Nockenwelle hat den Geist aufgegeben. Ein
neues Teil ist bestellt und kommt wahrscheinlich heute noch hier an. Aber
ich will Ihnen nichts vormachen: Gleich ist Feierabend, und Überstunden
bekomme ich nicht bezahlt.«
Ulbricht konnte die Nachricht
verschmerzen, verfügte er doch über einen akzeptablen
Ersatzwagen. Er nickte. »Apropos bezahlen«, nahm er Kuhnerts
Faden auf. »Was kostet mich der Spaß?«
»Das müssen Sie
meinen Chef fragen, aber mit ein paar hundert Euro sind Sie dabei, fürchte
ich. Das heißt, wenn Sie so viel noch investieren möchten. Das
Auto hat die besten Tage schon hinter sich.« Kuhnert grinste ein
wenig unbeholfen.
»Na hören Sie mal«,
knurrte Ulbricht und streichelte dem Vectra fast zärtlich über
das staubige Dach. »Das ist ein Liebhaberfahrzeug!«
»Sieht man ihm gar
nicht an«, entgegnete Kuhnert mit einem Blick in das unaufgeräumte
Wageninnere. Dann zuckte er die Schultern. »Aber es ist Ihre
Entscheidung.«
»Wir haben schon eine
Menge durchgemacht, der Opel und ich.«
»Ist 'ne Bullenkutsche
gewesen, was?«
Nicht schon wieder, dachte
Ulbricht, aber er nickte. »Ja, das war er mal.«
»Hm. Ich hätte
Ihnen sonst ein gutes Angebot gemacht.« Kuhnert deutete mit dem Kinn
auf den roten Porsche, dessen Lack in der Sonne glänzte. »Es
sieht nicht aus, als wären Sie auf den Vectra angewiesen.«
»Ist nur ein Leihwagen«,
brummte Ulbricht ein wenig verärgert. Ihn wurmte es, dass man mit
alten Autos nicht gern in Werkstätten gesehen war.
»Außerdem - was
wollen Sie mit dem Wagen, wenn er doch die besten Tage längst hinter
sich hat?«
»Ich hatte einiges Pech
in den letzten Tagen«, erwiderte Kuhnert ein wenig verlegen. »Das
Interesse an Ihrem Wagen ist privater Natur, wenn Sie so wollen. Ein
Freund hat meinen Wagen verschrottet, und nun ist ein altes Fahrrad mein
einziges
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