Tödlicher Staub
wissenschaftlichen Auszeichnungen bekommen … und was bleibt? Eine Pension, die mich zwingt, von meiner Tochter abhängig zu werden. Kennt man in Rußland keine Dankbarkeit mehr?«
»Das klingt verbittert, Iwan Semjonowitsch.«
»Ich bin verbittert.«
»Und wie soll es weitergehen?«
»Wer weiß das? Neue Aufgaben? Wo? Ich bin ja nicht der einzige von uns Wissenschaftlern, den man in den Hintern tritt. Es sind Hunderte, ja Tausende von Experten, die auf den Bänken in den Parks herumsitzen.« Er blickte Natalja mit etwas wäßrigen Augen an, als weine er nach innen. »Ich habe mit vielen gesprochen. Sie haben Angebote bekommen … aus dem Iran, dem Irak, aus Syrien und Libyen, aus Korea und anderen asiatischen Staaten, sogar ein paar afrikanische Länder waren darunter. Und sie bieten Summen, von denen wir nicht einmal geträumt haben! Soviel hat in Rußland noch niemand verdient, außer der jetzt herrschenden Mafia! Sie ist die Krebsgeschwulst am russischen Körper! Aber soll ich mein Vaterland verraten? Soll ich in den Irak gehen? Ich kann so etwas nicht tun!«
Natalja atmete auf, wie aus einem Würgegriff befreit. Es wird nicht nötig sein, Kunzew im Bett Informationen zu entlocken, er wird aus purer Verzweiflung alles sagen, was Sybin wissen will. Und er haßt, wie alle Menschen, die Mafia … an diesem Haß kann ich ihn packen.
»Die Mafia«, sagte sie mit Abscheu in der Stimme. »Ich kenne ihre teuflischen Methoden! Meinen Onkel haben sie erschossen, weil er nicht mit ihnen arbeiten wollte. Er war Direktor eines Traktorenwerkes und hat sich geweigert, für sich und das ganze Werk Schutzgelder zu zahlen.«
Natürlich war das alles gelogen, aber Kunzew glaubte es ihr. Er verzog den Mund, als spüre er starke innere Schmerzen. »Es bricht alles zusammen«, sagte er dumpf.
»Und wie wollen Sie weiterleben, Professor?« Natalja beugte sich zu ihm vor. Ihre ein Stück weit offene Bluse zeigte den Ansatz ihres vollen Busens. Sie trug keinen BH, ihre Haut schimmerte wie Perlmutt. Kunzew sah es, aber sein Blick blieb nicht daran hängen. Seine Verbitterung war stärker als sein männlicher Instinkt.
»Ich habe einen Plan, aber über den spreche ich nicht. Mit Hilfe eines Partners werde ich ein Geschäft aufbauen.«
Jetzt sind wir dort, wo ich hin wollte, dachte Natalja. Jetzt nur nicht in die Tiefe fragen, das kann verdächtig wirken. Alles auf ein paar Tage verteilen, das ist klüger.
»Ich wünsche Ihnen bei Ihren Plänen viel Erfolg, Iwan Semjonowitsch.« Sie erhob sich zum Gehen, und Kunzew sprang von seinem grünen Sofa hoch.
»Sie wollen mich verlassen, Natalja Petrowna?« rief er enttäuscht. »Warum?«
»Es ist unhöflich, zu lange zu Besuch zu bleiben, habe ich von meinem Vater gelernt. Wir sitzen schon Stunden zusammen.«
»Und Sie haben noch nicht einmal Ihren Kuchen gegessen.«
»Vielleicht später.«
»Was heißt später?« Seine Augen glänzten plötzlich, als sei er noch mal zwanzig. »Sie kommen wieder?«
»Ich bleibe eine Woche in Semipalatinsk. Vielleicht …«
»Sie sind eingeladen, Natalja Petrowna! Morgen zum Abendessen?«
»Sie sollten Ihr Geld festhalten, Herr Professor.«
»Es kostet mich nichts. Meine Tochter Nina wird für uns kochen.«
»Ob es ihr recht ist?«
»Nina ist eine gute Tochter. Wenn sie ihrem Vater eine Freude machen kann, dann tut sie es. Und es ist für mich eine Freude, Sie als Gast bei mir zu sehen. Sie kommen, Natalja Petrowna?«
»Ja.«
»Ich werde Nina sagen, sie soll etwas ganz Besonderes kochen.«
Kunzew verabschiedete Natalja an der Tür, ging dann zurück zu seinem grünen Sofa und aß den Kuchen auf, den Natalja nicht angerührt hatte. Doch ja … eine kleine Ecke hatte sie abgebissen. Kunzew begann bei dieser Ecke, die ihre Lippen umschlossen hatten, und ihm kam der Kuchen heute besonders aromatisch und süß vor.
Kurz darauf betrat Nina Iwanowna die Wohnung. Sie warf ihren Mantel über einen Stuhl und sah ihren Vater fragend an.
»Ich habe von weitem eine Frau aus deinem Haus kommen sehen. War sie bei dir?«
»Ja.« Kunzew aß weiter.
»Ich rieche es … ein aufdringliches Parfüm! Was wollte sie bei dir?«
»Sie hat mir dubiose Grüße aus Moskau bestellt.«
»Grüße? Aus Moskau? Du bist doch nie in Moskau gewesen.«
»Eben deshalb sind sie dubios. Grüße von einer Frau, die Irena heißt. Keine Ahnung, wer das sein soll.«
»Ich mag sie nicht«, sagte Nina hart.
»Wen?« Kunzew hob erstaunt den Kopf. »Kennst du diese Irena,
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