Toedlicher Sumpf
sie in den Mississippi geworfen.«
»Die gleiche Vorgehensweise wie bei den beiden anderen Opfern.«
»Ja. Aber das ist bislang auch alles, was ich weiß. Der Bericht aus der Gerichtsmedizin müsste bald kommen. Willst du, dass ich dich weiter auf dem Laufenden halte, was den Fall betrifft?«
»Unbedingt!«
»Das bleibt aber unter uns.«
»Natürlich. Versprochen.«
»Ach, und ich habe das Foto weitergegeben, das du mir übers Handy geschickt hast.«
»Ja?«
»Du musst noch ein bisschen Geduld haben. Bei denen ist Land unter. Es wird ein paar Tage dauern.«
Ich nicke. Eine Weile sitzen wir einfach nur da und hängen jede den eigenen Gedanken zu Amber Waybridge und ihrem grausigen Ende nach. Schließlich atmet Calinda tief durch, bringt ein Lächeln zustande und schlägt entschlossen die Speisekarte auf.
»Jetzt ist es genug«, sagt sie. »Und du? Wie läuft’s bei dir?«
Wie es läuft? Es ist schwer, mal eben das Thema zu wechseln, aber wir geben uns Mühe. Wir bestellen und schwatzen und trinken unser kaltes Bier. Ich wettere über die Plantagen-Story, die ich machen soll. »Da gibt es sogar eine Webseite, wo die Filmmusik von ›Vom Winde verweht‹ dudelt.«
Ihr klappt die Kinnlade runter. »Das ist nicht dein Ernst.«
»Ich schwöre es.«
»Dieser Wind hat ausgeweht, oder?« Wir lachen, als unser Essen kommt. »Um die Recherche beneide ich dich nicht«, sagt Calinda. »Aber von der Arbeit will ich gar nicht mehr wissen. Was läuft denn so in der Abteilung Liebe?«
»Nicht viel. Ich hab ein paar Männer getroffen, und das war’s.«
»Jemand Interessantes dabei?«
»Nein, nicht wirklich.« Ich starre in mein Crawfish-Étouffée. Calinda knallt ihre Bierflasche auf den Tisch.
»He, was ist das? Wirst du etwa rot? Dass ich das noch erleben darf! Erzähl, sag schon! Wer ist es?«
»Nein, da ist niemand. Ehrlich.«
»Ach so, du hältst dich bedeckt, ja? Gib dir keine Mühe, Süße. Ich krieg’s raus, ich brauche dir nur noch ein paar Bier einzufüllen.«
Ich muss grinsen und senke den Blick. »Und was ist mit dir? Was ist bei der Arbeit sonst noch los?«
Ihre Miene wird wieder ernst. »Ich habe einen üblen Fall auf dem Tisch. Der mir richtig an die Nieren geht.« Sie schüttelt den Kopf und rührt in ihrem Shrimp-Gumbo herum. »Wir belangen einen Kerl, der seine Kinder missbraucht – furchtbar. Er hat vier Töchter, und wir vermuten, dass keine von ihnen davongekommen ist. Also musste jemand mit den Kindern reden, richtig? Wir brauchten ihre Aussagen. Und die Familie wohnt oben in den Magnolia Projects.«
Ich nicke. Mein Magen krampft sich zusammen. Leute, die nicht wissen, dass man eine bestimmte Herkunft hat, sind inihrer Wortwahl nicht immer taktvoll. Für Calinda bin ich Tulane-Absolventin und habe einen tollen Job, für den ich ständig neue Clubs und Festivals abklappern muss. Weiter nichts. Wenn die Rede auf Sozialwohnungen kommt – egal mit wem –, mache ich mich auf was gefasst.
»Weißt du noch? Als ich anfing, war ich die einzige schwarze Frau in der ganzen Staatsanwaltschaft.«
»Ja.« Ich beginne das Abita-Etikett von dem braunen Flaschenglas zu pulen.
»Okay, jetzt, zwei Jahre später, bin ich immer noch die einzige schwarze Frau. Also sagen sie alle: ›Calinda, mach du das.‹ Weil, es sollte schon möglichst eine Frau sein, richtig? Das sehe ich ein. Aber dann die anderen: ›Wenn wir da reingehen, kommen wir vielleicht nicht wieder raus‹, und: ›Du fällst da nicht so auf.‹« Sie hebt beide Hände. »Hallo? Ich meine, wenn ich im Kostüm und mit Aktentasche aus meinem Prius steige? Aber sicher, klar doch.«
Ich stelle mir vor, wie ich ausrasten würde, wenn ich mir von Bailey oder Claire so was anhören müsste. »Hast du abgelehnt?«
»Nein, ich hab’s gemacht.« Sie zuckt die Achseln. »Eine für alle, du weißt schon.« Calindas Plan ist es, ein paar allgemein beachtete Prozesse zu gewinnen und sich damit die Grundlage für einen Wechsel zu einer der besseren Kanzleien in der Stadt zu schaffen. Bei der Staatsanwaltschaft tut man seine Schuldigkeit, arbeitet sich ein – Karriere macht man dort nicht. Jedenfalls nicht, wenn man ein normales, alltägliches Leben führen will. »Außerdem war es schon richtig so.« Ihr Ton wird weicher. »Mit wem reden vier kleine schwarze Mädchen? Mit einem fremden Mann? Mit einer weißen Lady? Oder mit mir?« Ihre braunen Augen haben einen warmen Glanz. »Mit mir, richtig? Ist ja klar. Wenn du ein gruseliges Geheimnis
Weitere Kostenlose Bücher