Tödlicher Vatertag
Woeber.
»Natürlich.«
»Und Sie sind so ruhig?«
»Es ist mein Beruf. Ich habe mich schon des öfteren mit lebenden Toten herumgeschlagen.«
»Stimmt das?«
»Es stimmt, Silvie«, sagte Evelyn Binussek. »Hätte ich Mr. Sinclair sonst geholt?«
»Ja, du hast recht.«
»Eben.«
Wir hatten die Hauptspeise bestellt und bekamen die Grilladen. Dazu gab es Gemüse.
Außer mir hatte so niemand den rechten Appetit. Ich schaute hin und wieder auf das Fenster. Dabei beobachtete ich auch Thomas, den Ober. Er bewegte sich lässig und sicher, war braungebrannt, sein dunkles Haar hatte er sorgfältig gekämmt, und der schwarze Frack stand ihm gut. Dieser junge Mann wußte also mehr. Und wahrscheinlich kannte er auch das Geheimnis um den Tod der drei Männer.
Ich suchte nur mehr nach einer Gelegenheit, um mit ihm allein sprechen zu können. Hoffentlich ergab sich die noch im Laufe des Abends. Mir schmeckte es ausgezeichnet. Einen Salat hatte ich auch bekommen. Ich führte soeben die Gabel zum drittenmal an den Mund, als der leise Schrei ertönte.
Ich hatte mich so erschreckt, daß ich mich mit den Zinken fast verletzt hätte.
Brigitte Buchwald saß steif und wie angewachsen auf ihrem Stuhl. Ihr Gesicht war ebenfalls erstarrt und gleichzeitig verzogen, so daß der Mund offenstand. Aus ihren Augen leuchtete der Schreck. Sie blickte zwischen Evelyn Binussek und mir vorbei auf die bis zum Boden reichende Fensterscheibe.
»Was ist denn?« fragte ich.
»Ich habe ihn gesehen«, sagte sie leise.
»Wen?«
»Meinen Erich!«
Diesmal drehte auch ich mich. Das Murmeln der übrigen Gäste vernahm ich nicht mehr, auch nicht das leise Klappern der Bestecke oder die knappen Anweisungen der Ober. Ich konzentrierte mich voll und ganz auf den Anblick hinter der Scheibe.
Ein dunkler Park. Wenige Lichtinseln, mehr Schatten. Hin und wieder das Glitzern einer Pfütze, wenn sie vom Schein getroffen wurde. Mehr sah ich nicht.
Keinen Zombie…
»Und Sie haben sich nicht getäuscht, Frau Buchwald?« wandte ich mich an die Frau.
»Nein, ich habe ihn gesehen.«
Ihre Stimme klang abgehackt, als würde ein Computer sprechen.
»Wie sah er aus?«
»Weiß ich nicht. So lange konnte ich nicht hinschauen. Ich sah das weiße Gesicht und wußte genau, daß es meinem Erich gehörte. Ja, es gehörte ihm. Er war es!«
Ich sah ihr an, daß sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch stand und mußte etwas tun, um sie zu beruhigen. »Bitte, Frau Buchwald, nicht so! Bleiben Sie ruhig, tun Sie uns allen den Gefallen.«
»Aber mein Mann…«
»Um ihn werde ich mich kümmern.«
Evelyn Binussek legte ihre Hand auf die meine. »Wollen Sie wirklich nach draußen?«
»Ja, ich muß mich im Garten umschauen.«
»Dann glauben Sie nicht an eine Einbildung?«
»Das bestimmt nicht.«
Evelyn nickte. »Wie Sie meinen, Mr. Sinclair. Man wird sich hier nur wundern, wenn Sie den Tisch verlassen und nach draußen gehen.«
»Das macht nichts. Sie können das Personal und die übrigen Gäste ja beruhigen. Und noch eins. Versuchen Sie, diesen Thomas davon zu überzeugen, daß ich mit ihm reden will.«
»Mal sehen.«
Ich stand endgültig auf. Dabei war ich nicht der einzige, der dies tat, denn andere Gäste hatten sich ebenfalls erhoben und gingen auf das Dessert-Buffet zu, wo sie unter allerlei Köstlichkeiten wählen konnten. Ich ließ eine rothaarige Frau passieren und erreichte die Tür zur Terrasse. Sie war sehr breit, ließ sich gut aufhebeln, und bevor irgend jemand etwas davon mitbekommen hatte, stand ich schon draußen. Die Tür ließ ich angelehnt und hatte sie nur schwach festgedrückt. Dann sah ich zu, so rasch wie möglich aus dem unmittelbaren Lichtschein und in die Dunkelheit des kleinen Parks zu gelangen.
Über einen weichen Rasenboden schritt ich. Schräg näherte ich mich dem Pool, wich dem Schein zweier Lampen aus und erreichte über einen winzigen Hügel das eingezäunte Gelände des Tennisplatzes. Es war umgeben von Bäumen, die im heißen Sommer der großen Liegewiese Schatten gaben.
Geräusche hörte ich nicht. Ich lauschte auf Schritte, da ich wußte, daß es den Zombies kaum gelang, sich lautlos zu bewegen. Wenn sie einen Fuß vor den anderen setzten, hörte sich dies stets dumpf an, da sie sich längst nicht so geschmeidig wie normale Menschen bewegten. Als ich durch einen Schneerest schritt, knirschte das Zeug unter meinen Sohlen.
Der Draht des Tennisplatzes glitzerte. Vor der Umzäunung blieb ich stehen und schaute zurück.
Der
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