Tödliches Experiment: Thriller (German Edition)
wäre sie am anderen Ende des Labors und nicht direkt neben ihr.
Michael ebenso. Susan hörte ihn sagen: „Holt eine Krankentrage.“ Sie versuchte wieder zu sprechen, konnte aber nicht. Die Worte gelangten nicht mehr zu ihren Lippen und ihrer Zunge. Man hatte sie auf einen Stuhl gesetzt, sie wollte aufstehen, doch ihre Gliedmaßen waren schwer wie Blei und es war ihr, als stünde Michael, ebenso wie Toni, am Ende eines langen Tunnels.
Ich werde ohnmächtig, dachte sie.
Susan hatte keine Angst, aber sie fühlte sich hilflos. Sie konnte fast nichts mehr sehen. Was die anderen redeten, war ein sinnloses Durcheinander. Sie trieb an der Oberfläche eines stillen Meeres im warmen Wasser. Nicht ihr Körper, sondern bloß ihr Kopf.
Ewig schien sie so zu treiben und um sie herum imMeer schienen Köpfe zu schaukeln. Wer waren sie? Und wieso waren sie hier? Wenn man nur ein Kopf war, wurde man von chirurgischen Zangen über einer Apparatur festgehalten und musste denken. Man wurde dazu gezwungen.
„Schlaf nur“, sagte einer von ihnen sanft. „Schlaf nur.“
Susan schloss die Augen und ließ sich in die Finsternis sinken.
33
Walter Burnleigh hatte nie etwas für Denunzianten übrig gehabt. Und derjenige, der soeben bei ihm war, stellte keine Ausnahme dar, auch wenn die Mitteilung des Mannes zutiefst beunruhigend war. Burnleigh wandte sich von Al Luczynski ab, der ihm nervös gegenüber saß, und schaute aus dem Fenster auf die Bäume an der Massachusetts Avenue, die man hinter dem Rasen und der Zufahrtsstraße zur Borg-Harrison-Zentrale sehen konnte.
Es war Spätsommer und Burnleigh wusste, dass es draußen heiß war, aber dennoch erschauerte er. Was er soeben gehört hatte, stellte nicht nur den Erfolg des gesamten Gehirnforschungsprogramms in Frage; auch seine eigene Position und sein Ruf waren möglicherweise ernstlich gefährdet.
Was Luczynski erzählt hatte, schien nicht nur anzudeuten, dass sich Katherine in wachsendem Maße nur noch von ihrem eigenen Ehrgeiz leiten ließ, wie Burnleigh es seit einiger Zeit vermutet hatte. Offensichtlich hatte sie auch jegliche Urteilskraft verloren. Als er ihr freigestellt hatte, dem Labor auf eine nicht herkömmliche Weise EGs zu verschaffen, hatte er keineswegs erwartet, dass sie je weitergehen würde als bis zu offensichtlichen Grenzfällen. Susan McCullough aber war nicht einmal krank. Sie war eine gesunde, energische junge Frau und es kam einem Mord gleich, ihren Kopf auf eine Konsole zu setzen. Und Michael? Er musste verrückt geworden sein, wenn er so etwas tat; noch dazu mit einer Frau, mit der er ein Verhältnis gehabt hatte.
Burnleigh lenkte seine Aufmerksamkeit wieder auf Al Luczynski und drehte sich mit seinem Stuhl so, dass er ihm ins Gesicht sehen konnte. Die Atmosphäre imLabor musste im höchsten Maße gespannt sein, wenn dieser Luczynski sich entschlossen hatte, als Informant zu ihm zu kommen. Dieses Verhalten stellte eine weitere Gefahr für das Projekt dar. Wer würde der Nächste sein, dem Luczynski etwas erzählte? Ganz offensichtlich hatte seine Loyalität gegenüber dem Labor abgenommen und man musste ihn ebenso wie Susan McCullough rund um die Uhr überwachen lassen.
Burnleigh sah in Luczynskis großes, bärtiges Gesicht und erschauerte nochmals. Luczynski war nicht gekommen, um Susan McCullough zu retten. Er hatte keine Entrüstung über Katherines Plan an den Tag gelegt, ja er hatte nicht einmal Einwände dagegen erhoben. Die Aussicht, dass man Susans Kopf entfernen wollte, schien ihn überhaupt nicht zu berühren. Offensichtlich war er bloß gekommen, um seine eigene Haut zu retten. Konnte man sich an medizinische Abscheulichkeiten so gewöhnen, dass man immun dagegen wurde? Wie stand es mit ihm selbst? Wie tief war er selbst gesunken? Zu Beginn des Programms hatte er sich kaum dazu zwingen können, auch nur Fotos von den ersten paar Operationen anzusehen. Nur die Aussicht auf Erfolg und die damit verbundene Revolution in der Entwicklung der Menschheit rechtfertigte die Art, in der sich das Projekt des menschlichen Lebens bediente. Ihm fiel auf, dass nun auch er selbst die EGs mehr als Experimente und nicht mehr als Menschen betrachtete. Und er erschrak, als er merkte, dass er vielleicht ebenso gefühllos geworden war wie Luczynski.
Er sagte beiläufig: „Für wann ist die Operation angesetzt, Doktor?“
„Morgen früh um 7 Uhr 30.“
„Gut. Nun zu Ihnen. Sie haben noch andere Nicht Freiwillige erwähnt: Dr. Flemming und eine
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