Tödliches Lachen
malen, aber haben Sie nach Ihren Ausführungen schon mal in Erwägung gezogen, dass es einer von uns sein könnte? Ist nur ‘ne Frage.«
Ein Raunen ging durch den Raum, bis Durant sagte: »Sie glauben, einer unserer Kollegen aus dem Präsidium könnte der Täter sein? Prof. Richter, was meinen Sie dazu?«
»Ich würde nichts ausschließen, ich halte die Frage sogar für berechtigt. Nur, es kann sich unmöglich um jemanden aus Ihrer Abteilung handeln, denn dort kennen Sie sich alle zum Teil seit vielen Jahren. Aber das Präsidium ist riesen´groß, und ich glaube kaum, dass Sie auch nur die Hälfte der hier Beschäftigten persönlich kennen. Verbessern Sie mich, wenn ich falsch liege.«
»Ich kenne maximal ein Viertel, von denen die meisten Kollegen aus dem K-Bereich stammen.«
»Deshalb sollten Sie auch einen von hier in Betracht ziehen.«
»Okay, aber hier arbeiten zwischen fünfzehnhundert und zweitausend Menschen. Wie wollen wir da den finden, der infrage kommt? Alle zum DNA-Test bitten? Was glauben sie, was das für einen Wirbel auslöst, vor allem bei der Presse?! Ich stelle mir nur die Schlagzeile vor - Ripper von Frankfurt ein Polizist? Außerdem bitte ich zu bedenken, dass er mich heute schon gesehen hat, aber ich war heute nur kurz am Morgen im Büro, danach die meiste Zeit in Hofheim. Wir könnten jetzt den Kreis der Verdächtigen auf die Kollegen von der Spurensicherung und meine Kollegen begrenzen, aber für meine Kollegen lege ich meine Hand ins Feuer, und wenn’s sein muss, für die andern ebenfalls.«
»Sind Sie heute Morgen hier noch jemand anderem begegnet?«, fragte Berger.
»Nein, Als ich kam, bin ich allein mit dem Aufzug hochgefahren und habe auch auf dem Gang niemanden getroffen. Aber was ist, wenn mich der Täter beobachtet hat, als ich das Haus verlassen habe? Oder er war als stiller Beobachter in der Lessingstraße, ohne dass er einem von uns aufgefallen ist? Letzteres halte ich für am wahrscheinlichsten. Außerdem ist er zu gerissen, denn er weiß ja, dass wir seine DNA haben. Er ist sich sicher, dass wir ihn nicht kriegen, denn sonst hätte er seine DNA nicht bei der Martens zurückgelassen. Es ist keiner von uns, ich halte es für absolut unmöglich. Noch eine Anmerkung dazu?« Durant wartete einen Augenblick, und als sich keiner zu Wort meldete, fuhr sie fort: »Ich frage mich, warum er überhaupt auf diese schreckliche Weise auf sich aufmerksam macht … «
»Darf ich kurz einhaken? «, fragte Kullmer. »Du hast eben was Gutes gesagt. Er will auf sich aufmerksam machen. Was haben wir in unsern unzähligen Seminaren gelernt? Viele Täter, die im normalen Alltag keine Beachtung finden, begehen die schrecklichsten Verbrechen. Das heißt für mich, dass er endlich beachtet werden will. Warum schneidet er seinen Opfern die Eingeweide raus? Ein sexueller Kick kann’s nicht sein, keiner hat einen Orgasmus, wenn er jemanden aufschneidet und ihm beziehungsweise ihr die Eingeweide entfernt. Und wer das Video gesehen hat, weiß, dass er völlig ruhig und scheinbar emotionslos seine Arbeit verrichtet. Sein Motiv interessiert mich, warum er mordet und warum er ausgerechnet diese grausame und menschenverachtende Methode gewählt hat. Eine Antwort auf die grausame Methode ist sicherlich Aufmerksamkeit, das Motiv liegt für mich im Dunkeln.«
Richter widersprach: »So im Dunkeln liegt das Motiv nun auch wieder nicht, aber darauf komme ich gleich noch. Frau Durant, fahren Sie fort.«
»Gut. Und nun zu den Punkten, zu denen ich mir heute Nacht Notizen gemacht habe.
Wo könnte er wohnen? Keine Ahnung. In einem Einfamilienhaus, in einem Hochhaus, in einem Mehrfamilienhaus, es gibt mehrere Möglichkeiten. Sicher ist, dass er im Rhein-Main-Gebiet zu Hause ist, aller Wahrscheinlichkeit nach sogar in Frankfurt.
Wo könnte er arbeiten, das heißt, welchen Beruf könnte er ausüben? Er besitzt außergewöhnliche anatomische Kenntnisse, womit wir wieder bei einem Arzt oder einem Medizinstudenten wären. Gleichzeitig kann er exzellent mit Computern umgehen, das heißt, er weiß, wie man Spuren verwischt. Was mich ein wenig stutzig macht, ist, dass er bei den letzten drei Opfern jeweils aus den Adressbüchern und Terminkalendern bestimmte Seiten entfernt hat, bei Alexandra Fischer hat er es nicht getan, weil er entweder nicht wusste, wo sie wohnte, oder weil sie ihn einfach nicht interessierte. Damit wird eigentlich noch eine weitere Frage beantwortet, nämlich die, ob er seine Opfer kannte
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