Tödliches Lachen
wird, denn im Winter hat er noch nicht den Kontakt zur Polizei gesucht, jetzt auf einmal doch. Ich habe Ihnen einen Ausdruck seiner beiden bisherigen Schreiben mitgebracht, sie sind in dem Ordner. Dazu die Schrift an der Wand und die fein säuberlich entfernten Organe. Bei der Martens nur die Gebärmutter, den Eileiter und die Eierstöcke, bei der Fischer alles, was es im Bauchraum so gibt. Warum dieses Gemetzel?«
Richter holte tief Luft und dachte nach. Durant schaute auf die Uhr, Hellmer war seit über zwanzig Minuten mit Viola allein.
»Sie haben vorhin gefragt, ob er jemanden kopiert«, sagte Richter nach einer Weile. »Ich glaube, ja, und ich bin fast sicher, Sie denken dasselbe. Sprechen Sie’s ruhig aus. »Jack the Ripper.«
»Gut, dass wir uns einig sind. Ich habe ihn oder besser gesagt seine Taten ziemlich genau studiert, als ich mich vor Jahren auf Kriminalpsychologie fokussierte. Seine vermutlich ersten Morde waren vergleichsweise harmlos, auch wenn behauptet wird, er habe nur die sogenannten kanonischen Fünf getötet, also jene Frauen, die zwischen Ende August und Mitte November 1888 getötet wurden. Andere Opfer davor und danach werden ihm nur ungern zugeschrieben. Ich habe jetzt nicht ihre Namen im Kopf, nur Mary Jane Kelly ist mir in Erinnerung geblieben, weil sie wirklich grausamst verstümmelt wurde. Sie war auch das einzige Opfer, das in einem geschlossenen Raum getötet wurde. Aber ich will nicht zu viel über die Vergangenheit reden, konzentrieren wir uns lieber auf das Heute.« Er klopfte die Asche aus der Pfeife und stopfte sie wieder.
»Es sieht ziemlich stark danach aus, als würde der Täter von heute die Taten des Rippers kopieren, und er will auch, dass wir das wissen. Dazu würde passen, dass seine ersten vier Opfer vergleichsweise … «
»Human?«, sagte Durant, als Richter nicht weitersprach. »Entschuldigen Sie, aber das Wort human in Verbindung mit solchen Morden erscheint mir doch ziemlich deplatziert. Das ist wie ein schwarzer Schimmel oder eine lebendige Leiche, wenn Sie verstehen. Aber gut, lange Rede, kurzer Sinn, wir haben es mit einem Kopisten zu tun. Natürlich unterscheidet sich sein Vorgehen in einigen Punkten von dem des Original-Ripper, aber es sind nur Kleinigkeiten. Unser ManI1 bedient sich unter anderem der modernen Technik, wenn er mit Ihnen Kontakt aufnimmt. Ende des 19. Jahrhunderts schrieb der Ripper mehrere Briefe an die Presse, und einem fügte er sogar eine halbe Niere bei. Unser Täter schreibt nicht mit der Hand, und er verschickt seine Briefe auch nicht mit der Post, er nutzt das Internet als Kommunikationsplattform … «
»Wenn ich Sie unterbrechen darf. Warum hat er sich ausgerechnet mich ausgesucht? Das K 11 besteht aus vier Dienstgruppen, wir haben um die dreißig Mitarbeiter, aber ausgerechnet mir schickt er zwei Mails. Mir! Warum?«
»Diese Frage kann ich Ihnen leider nicht beantworten, noch nicht. Er kennt Sie, er hat Ihre E-Mail-Adresse, und er scheint Respekt vor Ihnen zu haben. Sie sind für ihn möglicherweise die einzige Person, die es in seinen Augen mit ihm aufnehmen kann. Und jetzt will er spielen und sehen, inwieweit sie sich in seine Gedankenwelt hineinversetzen können .. Auf seine Art erweist er Ihnen damit seine Ehrerbietung. Hier, die beiden Schreiben, die Sie erhalten haben, drücken das recht deutlich aus. Sie sind orthographisch und grammatikalisch fehlerfrei verfasst, und sein Gruß -In tiefster Verbundenheit- ist nicht höhnisch oder zynisch gemeint, sondern ernst … «
»Und das Kürzel F. R.?«, fragte Durant. »Seine Initialen, wobei ich allerdings nicht glaube, dass er so dumm ist, die Initialen seines wirklichen Namens zu verwenden, dadurch würden wir ihm viel zu schnell auf die Schliche kommen. Er hat auch erst beim zweiten Brief diese Signatur verwendet.«
»Selbst wenn es sein richtiger Name ist, was glauben Sie, wie viele Personen mit den Initialen F. R. allein in Frankfurt rumlaufen? Außerdem, wer sagt uns denn, dass er überhaupt in Frankfurt wohnt? Viele, die hier arbeiten, wohnen im Speckgürtel von Frankfurt, Main-Taunus-Kreis, Hochtaunuskreis; das reicht bis zur Wetterau, zum Main-Kinzig-Kreis und bis Darmstadt.«
»Möglich. Haben Sie Angst vor ihm?« Durant presste die Lippen aufeinander und schüttelte zaghaft den Kopf. »Nnnein«, kam es zögerlich aus ihrem Mund, »ich habe keine Angst vor ihm.«
»Frau Durant, es ist keine Schande, es zuzugeben. Ich hätte im ersten Moment auch Angst. Ich
Weitere Kostenlose Bücher