Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
suchten in kleinen Gruppen mögliche Spuren.
»Schaut euch doch mal diesen Müll an«, sagte ich. Die Kids, die sich das Spiel angesehen hatten, hatten völlig achtlos Papier und Coladosen weggeworfen. »Ich glaube nicht, dass auch nur eine aussagekräftige Spur die Anwesenheit von Pfadfindergruppen überleben kann.«
»Ich mache mir auch keine großartigen Hoffnungen, Coop«, sagte Mike. »Sieht so aus, als hätte der Polizeipräsident auf die Schnelle entweder nur ein paar alte Knaben aufgetrieben, die zeit ihres Lebens nur Streifendienst geschoben haben, oder ein paar junge Frischlinge von der Polizeiakademie. Haltet die Daumen.«
»Man hat schon in viel größeren Heuhaufen eine Nadel gefunden«, meinte Mercer.
»Es ist eine Ironie der Geschichte, dass der Mörder Tina Barr ausgerechnet hier abgeladen hat.« Mike blieb stehen und stampfte mit dem Fuß auf. »Wisst ihr, was sich hier drunter befindet?«
»Nein«, sagte ich.
»Leichen. Nichts als Leichen.«
»Wie meinst du das?«
Bryant Park war eine grüne Oase in einem der belebtesten Geschäftsviertel der Stadt. Täglich kamen in der Mittagspause Tausende Angestellte aus den umliegenden Bürotürmen, um hier zu essen, zu lesen, Freunde zu treffen, das Karussell zu bestaunen und in der Atmosphäre eines nach französischer Manier gestalteten Parks zu entspannen - bis zum Winter, wenn er eine Eislauffläche beherbergte.
Mike drehte sich um und ging rückwärts, wobei er eine weit ausholende Armbewegung machte. »Im Unabhängigkeitskrieg kam es hier zu einem Blutbad, als Washingtons Truppen nach der Schlacht von Long Island auf der Flucht vor den Briten waren.«
»Aber die sind doch bestimmt nicht mehr unter dem Park begraben«, sagte ich.
»Hör zu, Coop. Das Feng Shui dieses Platzes ist der Tod. Nach dem Krieg hat die Stadt hier eine Art Armenfriedhof eingerichtet. Eine letzte Ruhestatt für Bedürftige
und Unbekannte. Wenn ich es dir sage, da unten stapeln sich die Leichen.«
»Ich dachte, hier wäre mal der Wasserspeicher gewesen«, sagte Mercer.
»Nein, nein. Der Speicher war da, wo jetzt die Bibliothek steht«, sagte Mike und zeigte auf die Rückseite des eleganten Gebäudes. »Hier war der Friedhof. Da unten liegen überall Tote. Das ist eine Tatsache, Coop. In den 1850er-Jahren hat die Stadt den Totenacker stillgelegt, um den Kristallpalast für die erste Weltausstellung zu bauen. Und als der abgebrannt war, wurde ein Park angelegt. Als mein Vater in den Siebzigerjahren bei der Polizei anfing, gehörte Bryant Park zu den gefährlichsten Ecken in Manhattan. Er erzählte mir immer, dass hier die Dope-Dealer das Sagen hatten. Verbrechen ohne Ende.«
»Hier drüben, Sarge«, rief eine Stimme, und eine Hand schnellte in die Luft. Wir blieben auf der Stelle stehen.
»Was ist?«
Der junge Cop stapfte durch einen dichten Ysanderteppich. »Gebrauchte Kondome. Soll ich sie sicherstellen?«
Die Antwort des Sergeants ging in den Zurufen dreier weiterer Cops unter, die ebenfalls Kondome gefunden hatten. »Es geht alles ans Labor.«
Mike ging weiter. »Allzeit bereit. So heißt doch das Pfadfindermotto? Gut zu wissen, dass sie Kondome benutzen. Wenigstens hatten die Kids ihren Spaß, während diese Schlappschwänze von Yankees kläglich versagten. Die Kollegen im Labor werden alle Hände voll zu tun haben bei dem Zeug, das wir hier finden.«
Am Ende des Wegs fanden wir einen Durchgang zur
42. Straße und drängelten uns zum Haupteingang der Bibliothek, die sich über zwei Straßenzüge erstreckte. Wie üblich war die Kreuzung zur Fifth Avenue von Fußgängern und Fahrzeugen verstopft.
»Ist das Gibson?«, fragte Mike.
Vor uns sah ich Jill, die vor einem der beiden prächtigen Marmorlöwen - und berühmten Wahrzeichen von New York - an der Eingangstreppe auf und ab ging und dabei in ihr Handy sprach.
Ich stellte ihr Mike und Mercer vor und erinnerte sie daran, dass Mike derjenige gewesen war, der sie heute Nacht angerufen hatte.
»Ich kann es einfach nicht fassen, Alex. Es ist unbegreiflich, dass jemand Tina so etwas angetan hat. Wir wollten ihr alle helfen, aber sie wollte einfach nicht mit uns sprechen.« Jill drehte sich um und ging uns voran den ersten Treppenabsatz hinauf. »Ich habe den Sicherheitsdienst angerufen. Sie schicken jemanden zum Haupteingang, der uns aufmacht.«
»Sie sollten den Löwen einen Trauerflor um den Hals binden.« Mike tätschelte im Vorbeigehen die mächtige Pfote des rechten Löwen.
»Wissen Sie, wie die beiden
Weitere Kostenlose Bücher