Tödliches Vermächtnis - Lethal Legacy
Der Sohn wich mürrisch
meinem Blick aus. »Eine der seltensten Karten der Welt. Sie besteht aus zwölf separaten Stücken, zwölf Einzelteilen.«
»Wussten Sie, dass mein Vater verrückt war, junge Dame? Total verrückt.«
»Sie fragt nach der Waldseemüller-Karte, Vater«, sagte Tally in scharfem Ton, die Arme verschränkt.
»Jeder will diese Karte, mein Junge. Ohne diese verdammte Karte würde mich überhaupt niemand mehr besuchen kommen. Wie lange warst du schon nicht mehr hier?«
»Nimm’s nicht persönlich, Vater. Tally hat nur Angst, mir hier über den Weg zu laufen«, sagte Minerva und strich sich den Rock glatt. »Zwei Stunden mit ihm, und mir kommt’s bereits vor wie ein Monat.«
Der alte Mann murmelte etwas vor sich hin. Ich glaubte die Worte »Sogar der Jude« zu verstehen. Ich beugte mich zu ihm. War Jonah Krauss auch hier gewesen?
»Sogar wer?«, fragte Minerva.
Jasper Hunt legte das Kinn auf die Brust und schloss die Augen. Sein kurzes Plädoyer für Büchermenschen - so wie seine Vorfahren und er selbst - und die unangenehmen Fragen über die Karte schienen ihm noch den letzten Rest Energie geraubt zu haben.
»Mein Vater ist Arzt, Mr Hunt. Ein glänzender Arzt und ein wunderbarer Mensch.«
Hunt sah mich aus glasigen Augen an, während ich weitersprach.
»Er hat der Nachwelt ein beeindruckendes Vermächtnis hinterlassen.« Ich blickte zu Minerva und Tally, um zu sehen, ob sie auf das Wort reagierten. »Ihr Vater, Sir, und Ihr Großvater haben viele große
Einrichtungen reich beschenkt. Was ist Ihrer Meinung nach das Vermächtnis der Hunts?«
»Suchen Sie immer noch danach? Mein Vater würde das bestimmt sehr amüsant finden. Er wollte alles mitnehmen, für den Fall, dass es für niemanden mehr von Bedeutung wäre. Es würde ihn sicher freuen zu wissen, dass wir heute alle hier sitzen und über ihn reden, um ihm auf die Schliche zu kommen. Dadurch bleibt er irgendwie lebendig, nicht wahr?«
»Was meinen Sie mit ›danach‹? Wonach suchen wir?«
»›Was Menschen Böses tun, das überlebt sie‹«, sagte Jasper Hunt. »So ist es doch in der Regel, nicht wahr?«
Ich erstarrte, als ich das Shakespeare-Zitat hörte, das wir auf dem Zettel bei Tina Barrs Leiche gefunden hatten.
»Aber warum Böses?«, fragte ich. »Ihr Vater war zu so vielen Menschen gut und großzügig.«
»Er hat diesen Satz ständig zitiert. Er meinte wohl, dass sich die Leute nicht lange an seine Wohltaten erinnern würden. Nur daran, dass er verrückt war.« Hunts Augenlider schlossen sich zitternd. »Ist es Zeit für einen Cocktail, Tally?«
Minerva antwortete. »Noch nicht, Vater. Du musst deine Medikamente nehmen.«
Die Unterhaltung strengte ihn offensichtlich an. Ich stand auf und tätschelte seine Hand, die auf der rotgoldenen Katze ruhte.
Minerva nahm ein kleines silbernes Glöckchen und läutete, bis der Butler in der Tür erschien. »Würden Sie mir helfen, meinen Vater ins Schlafzimmer zu bringen?«
»Selbstverständlich, Madam.«
»Dürfen wir Ihnen noch ein paar Fragen stellen?«, fragte Mike, als Tally Hunt uns ins Wohnzimmer voranging.
»Haben Sie denn nicht schon genug Antworten bekommen?«
Mike ließ sich demonstrativ in das weiche Polster eines damastbezogenen Sofas mit Vogel- und Schmetterlingsdekor sinken. »Offensichtlich hat der Kartenausschnitt, den wir heute Morgen gefunden haben, Sie zu einem Überraschungsbesuch hier inspiriert.«
»Das ist ja wohl kaum strafbar, Detective.«
»Von wem hatten Sie den Hinweis?«
»Nicht von Jill, falls Sie darauf hinauswollen. Die Bibliothek ist eine eigene kleine Welt, in der sich alles schnell herumspricht.«
»Vielleicht vom Vermögens- und Nachlassverwalter Ihres Vaters?«, fragte Mike. »Ihre Schwester scheint nichts zu wissen.«
Talbot stand an einem der Fenster mit Blick auf das Museum. »Garrison. Francis X. Garrison.«
»Der Anwalt, mit dessen Hilfe Brooke Astors Sohn seine Mutter betrügen wollte«, sagte ich. »Battaglia hat Anklage gegen ihn erhoben.«
»Ich bin gerade auf der Suche nach einem neuen Anwalt, habe mich aber noch nicht entschieden. Ich berate meinen Vater seit Jahren in geschäftlichen Fragen. Ich habe mich gut um seine Angelegenheiten gekümmert.«
»Angesichts seines Gesundheitszustandes dürfte es Ihnen schwer fallen, einen Richter am Nachlass- und Vormundschaftsgericht von etwaigen Testamentsänderungen zu überzeugen, die in letzter Zeit zu Ihren Gunsten gemacht wurden«, sagte Mercer.
»Mein Vater ist nicht im
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