Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
harmonierte aber ausgezeichnet mit ihrem Katzengesicht, das von schräg stehenden hellgrauen Augen dominiert wurde. Sie war dezent geschminkt, duftete nach Bergamotte und trug ein schwarzes Kostüm mit engem Rock und hohen Pumps. Sie war gerade im Begriff gewesen, zu einer Party aufzubrechen. Inzwischen hatte es ihr die Feierlaune jedoch gründlich verhagelt. Anfangs hatte sie sogar geleugnet, den Namen Lillemor Ahlborg je gehört zu haben, doch nun schien sie schockiert zu sein, nachdem ihr Selma erklärt hatte, worum es ging. Ihr Widerstand bröckelte.
»Warum sollte Lillemor denn ein Kind entführt haben? Sie hat doch eins.«
»Wann haben Sie das Kind gesehen?«, fragte Selma.
Frau Tjäder hatte ihr den einzigen Stuhl im Zimmer angeboten, sie selbst saß am Rand des Doppelbetts, und ihre Finger verflochten sich in immer neuen Formationen ineinander. Selma musste sich Mühe geben, die Frau nicht zu auffällig anzustarren. Es gab Menschen, deren natürliche Schönheit Selma faszinierte, unabhängig von deren Alter und Geschlecht. Ähnlich wie der Anblick eines besonders schönen Tiers. Catherine Tjäder anzusehen war, als würde man eine wunderschöne Katze betrachten. Die Katze und der Vogel, dachte Selma.
»Gleich nach der Geburt, zum Beispiel. Ich war bei ihr im Krankenhaus, in Kopenhagen. Ein süßes Mädchen, sie heißt Marie.«
»Wer ist der Vater des Kindes?«
»Das weiß ich nicht. Sie sagte nur, es sei eine Sommerliebe gewesen.«
Sommerliebe . Klang wie der Titel eines Rosamunde-Pilcher-Films. Aber so eine kleine Prise Herzschmerz hatten Eyja de Lyns Bücher ja auch immer, wenn Selma sich recht erinnerte. Sie brachte die Rede auf den 17. August 2007. Das Interview.
»Im Herbst sollte ihr neues Buch erscheinen, nach einer längeren Pause. Da musste ein bisschen PR gemacht werden. Also überredete ich sie zu einigen Interviews.«
»Auch das mit Leander Hansson«, sagte Selma.
»Ja. Er ist bissig und manchmal ein wenig von oben herab, aber kein Schaumschläger. Und sie war ein paar Jahre zuvor schon einmal in seiner Sendung, deshalb war es nicht allzu schwer, sie dazu zu bringen. Das ist leider nicht immer so bei ihr. Manchmal übertreibt sie es mit dem Geheimnisvollen ein wenig.«
»Der Fall der kleinen Lucie ging durch alle Medien. Ihre Klientin war am Tag des Verschwindens beim Vater des Mädchens zum Interview. Hat es da bei Ihnen nicht geklingelt?«, fragte Selma.
Catherine Tjäder schüttelte den Kopf.
»Lillemor hatte zugesagt, sich mit Hansson wegen eines Interviews in Verbindung zu setzen, wenn sie in Göteborg ist und ihre Mutter besucht. Den genauen Termin hat sie selbst mit ihm verabredet, den kannte ich gar nicht. Sie schrieb mir erst im September eine Mail, dass sie sämtliche Interviewtermine abgearbeitet hätte.«
Die Erklärung klang aufrichtig und man würde ihr das Gegenteil nicht beweisen können. Selma glaubte auch nicht, dass Catherine Tjäder eine Kindesentführung decken würde. Sie machte auf Selma einen vernünftigen Eindruck: geschäftstüchtig, aber nicht skrupellos. Vorsicht!, warnte eine innere Stimme. Du hast dich vom alten Nordin auch einwickeln lassen.
»Sie sagten etwas von einer längeren Pause. Wann genau war die?«
Ihr Gegenüber klemmte sich eine lose Haarsträhne hinters Ohr. Die Stimme der Agentin changierte in Violetttönen.
»Lillemor hatte an dem Manuskript für die Elfenprinzessin gearbeitet, als sie schwanger war. Im Mai 2005 kam dann das Kind. Damals sagte sie mir, dass sie damit schon weit gekommen sei, und es war ja auch noch viel Zeit. Im Frühjahr 2006 hätte das Manuskript dann abgegeben werden sollen. Ich habe nachgefragt, wo es bleibt. Lillemor ist sonst sehr gewissenhaft und versäumt nie einen Termin. Sie schrieb mir, sie wäre nicht dazu gekommen. Keine Begründung. Ich wusste auch gar nicht, wo sie zu dem Zeitpunkt war. Was allerdings nichts Besonderes ist. Sie war schon immer eine Nomadin, lebte mal hier, mal dort. Ich nahm an, dass sie es unterschätzt hatte, wie viel Arbeit es macht, ein kleines Kind zu versorgen, noch dazu ohne Vater. Und ich sagte mir: Herrgott, sie ist gerade Mutter geworden, warum soll sie sich nicht mal eine Auszeit gönnen? Ich schrieb ihr also Mails, was denn los wäre, und sprach ihr auf die Mailbox. Aber sie wollte es mir nicht sagen. Ich dachte, vielleicht hat sie Liebeskummer oder eine Depression. Allzu sehr wollte ich sie natürlich auch nicht drängen, ich bin ja nicht ihre Therapeutin. Und sie istnun ja,
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