Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Mutter hatte Forsberg auf einen Gedanken gebracht.
»Camilla Ahlborg ist im Juli gestorben, und Lillemor war bei der Beerdigung. Woher wusste Lillemor vom Tod ihrer Mutter?«
»Von mir. Ihr Bruder schrieb mir eine E-Mail an die Agentur, die ich an Lillemor weitergeleitet habe.«
Forsberg blieb für einen Augenblick der Mund offen stehen.
»Lillemor hat einen Bruder?«
Warum, zum Teufel, hatte der Vogel das übersehen? Kinder standen doch dick und fett im Personenverzeichnis!
»Eigentlich ist es ihr Stiefbruder. Er war auch einer der Gründe, weshalb Lillemor nicht gerne unter ihrem eigenen Namen gemeldet war. Sie sagte mir mal, er würde sie dauernd anpumpen und dass sie ihn nicht leiden könne. Sie versuchte, ihm so gut es ging aus dem Weg zu gehen und für ihn nicht erreichbar zu sein. Was wohl nicht immer gelang, er hat sie einige Male aufgespürt, er schien darin so eine Art sportlichen Ehrgeiz entwickelt zu haben.«
»Wie ist sein Name?«, fragte Forsberg.
»Leif. Der Nachnameentschuldigen Sie, der fällt mir gerade nicht ein, Lillemor nannte ihn nämlich immer nur ›den Geier‹. Aber ich weiß, dass er als Journalist beim Göteborg Dagbladet arbeitet.«
Leif calling . Der Schnösel! Forsberg sah das Bild auf Evas Handy vor sich. Leif Hakeröd! So hieß der Typ, den Eva nicht ausstehen konnte, weil er es in kürzester Zeit zum Nachrichtenchef gebracht hatte, ein Job, auf den sie selber scharf gewesen war. Aber was hatte der für ein Motiv, Eva umbringen zu lassen? Umgekehrt wäre es ja noch verständlich, wenn man voraussetzte, dass ein Job in der mittleren Führungsebene einer mittelgroßen Zeitung überhaupt ein Mordmotiv darstellte. Aber so?
Forsberg wandte sich um und wollte Leander Hansson fragen, ob er Hakeröd persönlich kenne, aber der Türrahmen, in dem er eben noch gestanden hatte, war leer. Hansson war auch nicht im Bad und nicht im Wohnzimmer. Seine Frau saß ganz allein auf dem viel zu großen Sofa, die Arme um die Knie geschlungen und umgeben von einer Aura der Unnahbarkeit.
»Wo ist Ihr Mann hin?«, fragte der Kommissar.
Tinka Hansson sah ihn mit leeren Augen an. Sie zitterte am ganzen Körper. Catherine Tjäder drängelte sich an ihm vorbei und zischte ihm zu:
»Sie hat einen Schock. Am besten, wir legen ihr erst mal die Füße hoch. Holen Sie ihr noch ein Glas Wasser.«
Forsberg gehorchte und ging in die Küche.
»Ich könnte mir vorstellen, wo ihr Mann hingegangen ist«, rief die Agentin ihm nach. »Auf die Buchmesseparty. Dort treiben sich heute die ganzen Journalisten herum.«
Die Gegend wurde dunkler, die Bebauung spärlicher. Es konnte nicht mehr weit sein. Da vorn war eine Parkbucht. Er bremste den Wagen ab und hielt an. So viel Zeit muss sein, sagte er sich in einem Anfall von Übermut und rollte einen Hundertkronenschein zusammen. Er benutzte das iPad als Unterlage und zog sich eine Line in die Nase. Während er auf das Kopfgewitter wartete, betrachtete er das Display des Tablets. Evas Handy hatte sich seit Stunden nicht bewegt, noch immer verharrte es an dem einen Punkt am Askimsviken. Er überlegte, was das zu bedeuten hatte. Auf jeden Fall, dass Hansson versagt hatte. Dass Eva Bescheid wusste. Vielleicht sogar die Polizei. Nein, das eher nicht, denn dann wäre sie jetzt im Präsidium und nicht irgendwo hier draußen in den Büschen. Ein Versteck, ging es ihm durch den Kopf.
Sie und Hansson spielten also auf Zeit. Bald würden sie eine Vermisstenmeldung aufgeben und hoffen, dass er darauf hereinfiel und ihnen sagte, wo das Kind war. So wie er auf das dilettantische Foto hätte hereinfallen sollen, das Hansson ihm geschickt hatte. Diese theatralische Haltung, dieser viel zu große Blutfleck auf der BrustLächerlich! Als ob eine Glock ein Loch reißen würde wie eine Elefantenbüchse. Nein, so nicht, Freunde, zum Verarschen müsst ihr euch einen anderen suchen.
Im Grunde war sein Experiment damit zu Ende. Was hatten die Hanssons damals für einen Zirkus in den Medien veranstaltet! Dieser tränenreiche Appell an den Entführer, diese zur Schau gestellte Verzweiflung. Beinahe hätten sie es in diesen Tagen noch fertiggebracht, dass er Mitleid bekam und es bereute, seiner durchgeknallten Schwester geholfen zu haben. Ja, damals war er plötzlich wieder sehr gefragt gewesen, nachdem Lillemor ihm jahrelang aus dem Weg gegangen war. Er war es, der sie mitsamt dem Kind auf ihre beschissene Insel gebracht hatte, und er hatte sie bis zum Herbst mit Lebensmitteln versorgt,
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