Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Stadt war. Trotz der Methoden, die er sich abgeschaut hatte, als er ein Jahr lang für eine Detektei gearbeitet hatte, war es ihm seit drei Jahren nicht mehr gelungen, Lillemors Aufenthaltsort ausfindig zu machen. Automatisch war er aufgestanden, hatte zu ihr gehen wollen. Gerade schob sie das Kind, von dem Camilla ihm erzählt hatte, von dem Marktstand weg, und er verlor sie im Gedränge rasch aus den Augen. Egal, dachte Leif, bestimmt würde er Lillemor morgen, an Camillas Geburtstag, in deren Wohnung treffen. Wozu wäre sie sonst in der Stadt, samt Nachwuchs? Seine Nichte, fiel ihm ein. Stiefnichte.
Dass auf dem Kungstorget ein Kind entführt worden war, bekam er erst mit, als er wieder in der Redaktion eintraf. Ein blondes Kind. In einem schwarzen Buggy. Leif zählte eins und eins zusammen, und tatsächlich: Als er am Abend bei Camilla vorbeischaute, saßen seine Mutter und seine Schwester auf dem Balkon und tranken Wein und das Kind, dessen Bild gerade durch alle Fernsehkanäle ging, schlief friedlich im Gästebett.
Bis zu Camillas Tod hatte Leif nie herausfinden können, ob sie gewusst hatte, was los war. Eigentlich hätte sie es wissen müssen, denn Camilla war nicht auf den Kopf gefallen. Aber Leif wusste auch, dass Menschen sehr gut darin waren, Dinge auszublenden, die sie nicht sehen wollten. Besonders Camilla.
Dann, vor gut zwei Monaten, war Camilla gestorben. Leif hatte es durch einen Anruf aus dem Krankenhaus erfahren. Er war ehrlich traurig. Mit Camilla war der einzige Mensch dahingegangen, der ihm etwas bedeutet hatte. Zwar hatte er sie nicht allzu oft besucht, nur alle zwei, drei Monate war er auf einen Kaffee bei ihr vorbeigekommen, aber es hatte gutgetan, zu wissen, dass es sie gab. Er mailte die Todesnachricht an Lillemors Agentin und war gespannt, ob Lillemor zur Beerdigung erscheinen würde. Und sie kam, allerdings ohne das Kind. Im vergangenen Jahr hatte Lillemors Zahlungsmoral wieder nachgelassen, was nicht allzu schlimm war, denn er hatte ja eine andere sprudelnde Quelle aufgetan. Aber schließlich ging es ums Prinzip, und als er Lillemor fragte, was sie mit der Wohnung machen würde – er hatte sich vorgestellt, dass er dort mietfrei einziehen könnte –, waren sie wieder aneinandergeraten. Lillemor hatte es schon immer verstanden, ihn zu verletzen, und an diesem Tag raubte sie ihm seine letzte Illusion über Camilla. Sie habe die ganze Zeit über Marie Bescheid gewusst, hatte Lillemor behauptet, und hätte nur aus der Angst geschwiegen, aus ihrer schönen Wohnung wieder ausziehen zu müssen, falls Lillemor verhaftet würde.
Was folgte, war ein hässlicher Streit. Leif drohte Lillemor, sie auffliegen zu lassen, und Lillemor drohte Leif, dass er dann wegen Beihilfe zur Kindesentführung dran wäre. Schließlich bot sie ihm an, ihm die Hälfte des Erlöses aus der Wohnung zu überlassen, wenn er sie danach nie mehr behelligen würde. Leif hatte eingewilligt. Aber wenige Wochen später war sein Hass erneut aufgeflammt, denn der Erlös und sein Anteil daran waren viel niedriger, als er sich ausgerechnet hatte. Lillemor hatte die Wohnung zu einem Spottpreis verschleudert, man hätte mindestens ein Drittel mehr rausholen können. Das hatte sie nur getan, um ihm zu schaden, da gab es keinen Zweifel. In diesen Tagen war sein Entschluss gereift, sie zu bestrafen. Ihr »Marie« wieder wegzunehmen und dafür zu sorgen, dass sie in den Knast kam. Jetzt, da Camilla tot war, brauchte er ja keine Rücksicht mehr auf deren Gefühle zu nehmen. Kein Mensch würde Lillemor glauben, wenn sie ihn der Beihilfe bezichtigte, und selbst wenn – wie wollte man ihm das beweisen?
Er wusste jetzt wieder, wo seine Stiefschwester wohnte, er hatte sie nach der Beerdigung Camillas beschatten lassen. Zusätzlich hatte er einen Kleinkriminellen damit beauftragt, Fotos oder besser noch ein Video von ihr und dem Kind anzufertigen. Und zum Glück war er damals, vor vier Jahren, so vorausschauend gewesen, Lucies Schuhe an sich zu nehmen – aus einem vagen Gefühl heraus, besser ein Pfand zurückzubehalten.
Zu seinem Vorhaben gesellte sich die charmante Idee, Leander Hansson, diesen blasierten Möchtegern-Intellektuellen mit seinem postmodernen Ironie-Habitus, einen Preis zahlen zu lassen für sein wiedererlangtes Familienglück. Er würde aus ihm einen Mörder machen. Seine Tochter gegen seine Unschuld, seine Integrität. Der Gedanke beflügelte ihn. Was für ein geniales soziologisches Experiment!
Das Mordopfer war
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