Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
trösten lassen, denn sie hatte keinem Menschen von ihrem Verhältnis erzählt, nicht einmal Fredrika und auch nicht ihrer Mutter. Ihr schon gar nicht. Denn schließlich hatte sie ja von Anfang an gewusst, dass es nicht von Dauer sein würde, und was gab es Armseligeres als eine verlassene Geliebte? Nein, niemand sollte davon erfahren, erst recht nicht jetzt, wo es vorbei war. Sie war so sehr aus dem Gleichgewicht geraten, dass sie nach irgendeiner Jubiläumsfeier mit der örtlichen Polit-Prominenz mit dem schnuckeligen Neuen, Leif Hakeröd, in einer Bar gestrandet war. Sie hatten Malt getrunken, ihre Knie hatten sich berührt, und vielleicht auch ihre Hände, aber trotz des gehörigen Quantums Alkohol, das Eva intus hatte, hatte sie sich von einer Sekunde zur anderen von Leif verabschiedet, sich ein Taxi geschnappt und war allein nach Hause gefahren. Dafür war sie sich heute noch dankbar, sogar mehr noch als damals.
Und dann war das mit Leanders Kind passiert, und angesichts dieser Katastrophe hatte sich ihr Liebeskummer – was für ein lächerliches Teenager-Wort – wie eine Bagatelle angefühlt. Und das war es auch: eine Affäre, eine Liaison, eine Banalität. Trotzdem und obwohl zwischenzeitlich vier Jahre vergangen waren, musste sie noch immer an Leander denken. Nicht ständig, aber doch zu oft für eine frisch verheiratete Frau, wie sie fand, und sie fragte sich, welche Frequenz von Erinnerungen an Exgeliebte für eine Ehefrau normal war.
Das Schiff legte an, Eva sah Stieg an der Reling stehen, das blonde Haar windzerzaust, die blauen Augen strahlend, als käme er von einem siegreichen Beutezug auf den sieben Weltmeeren zurück und nicht von einem Kundentermin in Eriksberg. Obwohl das Ergebnis dasselbe sein konnte. Das ist die Gegenwart, Eva! Alle beneiden dich um diesen Mann. Fredrika hatte bereits angekündigt, sich ihn sofort zu schnappen, falls Eva ihn nicht mehr haben wollte, und Sigrun bekam jedes Mal knallrote Ohren, wenn er Eva abholte und dabei ein wenig mit ihr flirtete. Mein Ehemann . Immer wenn sie Stieg jemandem vorstellte, zuckte sie für einen winzigen Moment zurück, ehe sie diese Worte über die Lippen brachte, und genauso ging es ihr, wenn er sie meine Frau nannte. Es klang für sie mehr nach Steuererklärung als nach Liebe, wohingegen mein Geliebter einen wunderbaren Klang hatte. Bedauerlicherweise hatte sie Leander nie jemandem so vorstellen dürfen. Schluss jetzt damit! Sie umarmte Stieg, als hätte sie ihn seit Wochen nicht gesehen.
Dann saßen sie auf der Terrasse des Operncafés, blickten über den Fluss auf den nördlichen Älvstrand, und er erzählte ihr, welchen Fonds er seinem Kunden gerade verkauft hatte.
»Siegreicher Beutezug«, sagte Eva.
»Du hast noch immer keinen Respekt vor meinem Beruf.«
Sie hatte Stieg Mellqvist vor zwei Jahren kennengelernt, und zwar im Haus ihrer Mutter. Alarmiert von der Pleite der Lehman-Bank und der angekündigten Apokalypse in Form einer Weltwirtschaftskrise hatte Gudrun Röög geglaubt, nun sei der Rat eines Profis nötig, um das Erbe ihres verstorbenen Ehemanns zu retten. Eva hatte den Finanzberater charmant, aber bestimmt hinausgeworfen. »Sie sind ein attraktiver Mann und machen einen recht vertrauenswürdigen Eindruck, aber ich würde dennoch lieber mit Ihnen ausgehen, als Ihnen das Geld meiner Mutter anzuvertrauen«, hatte sie zu ihm gesagt.
Immerhin hatte er Haltung bewahrt.
Als er weg war, hatte Eva ihrer Mutter eingeschärft, um solche Leute künftig einen Bogen zu machen. »Die Typen sind es doch, die die ganze Misere verursacht haben.«
»Aber den hat mir Inga Fryklund empfohlen.«
Ihre Fußpflegerin!
»Und er war sehr nett.«
»Das sind die Schlimmsten!«
Inzwischen hatte Gudrun Röög fast alle Besitztümer ihrer Tochter überschrieben: achthunderttausend Kronen und ein Paket schwedische und norwegische Staatsanleihen, die etwa denselben Wert hatten. Und ausgerechnet dieses kleine Vermögen, das sie zusammengeführt hatte, sorgte in letzter Zeit immer wieder für Misstöne zwischen Eva und Stieg. Auch jetzt hörte sie ihn sagen, es wäre geradezu unverzeihlich, dass Eva das Geld auf einem Tagesgeldkonto »vergammeln« ließe.
»Wenigstens ist es noch da«, konterte Eva.
»Es ist eben bald nicht mehr da. Die Inflation frisst die niedrigen Zinsen und den Kapitalstock«, behauptete er und hielt ihr einen seiner Vorträge, dass man gerade in Krisenzeiten enorm profitieren könnte, wenn man geschickt damit umging.
»Ich
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