Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
möchte aber nicht an der Misere anderer Leute verdienen.«
»Aber so funktioniert nun mal der Kapitalismus.« Stieg lächelte nun.
Sein Lächeln konnte unwiderstehlich sein, prallte aber an Eva ab, wenn es um dieses Thema ging.
»Mein Vater war ein aufrechter schwedischer Sozialdemokrat. Der würde nicht wollen, dass sein Erbe Spekulanten in die Hände fällt, die auf das Elend anderer wetten.«
»Wie wär’s mit grünen Energiequellen? Moralisch einwandfrei...«
Aber Eva blieb stur. Das Geld war ihr Notgroschen, ihr Polster fürs Alter, das wollte sie nicht in Dinge investieren, von denen sie nichts verstand.
»Aber ich verstehe was davon! Vertraust du mir nicht?«, fragte er.
Möwen umschwirrten eine auslaufende Stena-Fähre. Schmarotzervögel, dachte sie. Schmarotzer und Aasfresser.
Selbstverständlich glaubte sie nicht, dass Stieg es auf ihr Erbe abgesehen hatte. Aber sie wusste auch, dass er sich und seine Fähigkeiten zuweilen überschätzte. Vermutlich eine Voraussetzung, um in seinem Beruf bestehen zu können. Wie sollte man die Geldgeber überzeugen, wenn man selbst nicht von sich überzeugt war? Und sie hatte in letzter Zeit sehr wohl mitbekommen, wie er mit sorgenvoller Miene über dem Wirtschaftsteil der Financial Times brütete. Auch wenn er auf ihre als Scherz getarnte Nachfrage, »Schatz, sind wir pleite?«, stets versicherte, es wäre alles im grünen Bereich, man dürfe jetzt nur nicht hysterisch reagieren, so war ihr durchaus klar, dass auch er ein paar Fehlentscheidungen getroffen hatte. Ein Schiffsfonds, in den er sein Geld und das seiner Kunden investiert hatte, war buchstäblich baden gegangen.
»Du hast doch bestimmt noch unerfüllte Träume«, lockte Stieg.
»Ich habe einen Traummann, eine tolle Wohnung, ein schickes Auto... Was sollte ich da noch für Träume haben?« Sie lächelte ihm kokett zu.
»Und was ist mit deinem Job?«
»Was soll damit sein?« Eva war überzeugt: Hätte sie sich vor zwei Jahren, als man ihr Leif Hakeröd vor die Nase gesetzt hatte, nicht gleichzeitig in Stieg verliebt, wäre sie jetzt nicht mehr beim Dagbladet beschäftigt. Sein Werben hatte sie von der erlittenen Demütigung abgelenkt.
»Du könntest doch zum Beispiel deine eigene Zeitung gründen«, sagte Stieg. »Hast du mir nicht mal erzählt, dass du es schade findest, dass es bei uns keine überregionalen politischen Wochenmagazine gibt, wie den Spiegel in Deutschland oder The Economist in England?«
Eva musste lachen. Im Bauen kühner Luftschlösser war er wirklich ein Meister. Sie fand es rührend, dass er ihre Träume weiter spann, als sie selbst es je gewagt hätte. Er war wie ein kleiner Junge, der noch daran glaubt, dass ihm die Welt offensteht.
»Um so etwas zu gründen, würde selbst das Zehnfache meiner Erbschaft nicht reichen.«
»Nicht unbedingt...« Aber ehe er ihr seine Strategie erläutern konnte, sagte Eva: »Hör bitte auf. Es ist so ein schöner Tag. Lass ihn uns genießen!«
Stieg beugte sich über den Tisch und drückte ihr einen Kuss auf die Lippen und Eva musste an die drei, vier Gelegenheiten denken, als sie mit Leander hier gesessen hatte. Eine Redakteurin des Göteborg Dagbladet und ein Redakteur des Kultursenders von Sverigesradio, warum nicht? Sie hatten jedenfalls nichts getan, was dem Eindruck eines Business-Termins entgegengewirkt hätte, es sei denn, man hatte ihr diesen Sturm angesehen, der gerade bei diesen Treffen, bei denen es kaum zu einer Berührung gekommen war, in ihr getobt hatte. War es das gewesen, was sie so gereizt hatte? Dieses Heimliche, Verbotene, Prickelnde?
Eine Schiffshupe ertönte.
»Schon wieder die Aida «, sagte Eva, die an Stiegs Lächeln vorbei in Richtung Westen blickte. »Als wäre die Stadt nicht schon voll genug.«
»Möchtest du mit mir eine Kreuzfahrt machen?«, fragte Stieg.
Eva sah ihn entsetzt an. »Du lieber Himmel! Seh ich etwa so aus?«
»Es war ganz leicht«, sagte Malin, als sie in den Lounge-Möbeln der Hotelbar des Avalon versanken. »Niemand hat auch nur gezuckt, als ich den Buggy weggeschoben habe, und es kam auch gerade eine Gruppe Touristen vorbei, sodass mich wohl auch keiner der Gäste in den Cafés gesehen hat. Ich bin an den Lieferwagen, die hinter den Ständen parken, entlanggegangen, dann auf der Rückseite der Bühne vorbei und in Richtung Wallgraben. Als Nächstes wollte ich über die Brücke und durch den Park.«
»Warum hinter der Bühne herum? Quer über den Platz wärst du doch schneller«, wandte
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