Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Grinsen.
»Bin ich froh, dass wir bald hier wegziehen«, stöhnte die Hausfrau.
»Wohin?«, fragte Selma.
»Wir haben ein Baugrundstück in Askim. Der Rohbau ist schon fast fertig. Vielleicht klappt es noch vor Weihnachten. Ist besser für die Kleine.«
Daher also die Dreckstiefel. Nebenan surrte ein Rasierapparat. Selma brachte die Rede auf die kleine Valeria.
Die Frau seufzte. An dem bewussten Himmelfahrtstag hatte sie das Kind nicht gesehen. »Da war ich mit Lena in Liseberg. Es war ihr vierter Geburtstag.«
»War Ihr Mann auch dabei, in Liseberg?«
Sie schüttelte den Kopf.
»Nein. An so einem langen Wochenende muss Michael arbeiten. Er muss den ganzen Sommer viel arbeiten, oft zwei Schichten hintereinander. Bald kann er sich ausruhen, im Herbst, wenn die Touristen weg sind. Aber dann ist erst mal der Bau an der Reihe, nicht wahr, Michael?«
Sie blickte zur Tür, deren Rahmen der Gatte komplett ausfüllte. Selma stellte sich vor, er nickte und brummte einen Gruß. Er hatte ein breites Gesicht mit einer Narbe über dem rechten Auge und wirkte immer noch verschlafen. Das kurze, dunkle Haar klebte feucht an seinem Kopf. Das blonde Mädchen, Lena, kam aus dem Wohnzimmer geschossen und hängte sich wie ein Äffchen an seinen Unterarm, während er gutmütig protestierte, sie solle nicht so wild sein. Das andere Kind zeigte sich nicht. Vater und Tochter verschwanden im Wohnzimmer, aber die Duftspur seines Rasierwassers blieb zurück und vermischte sich mit dem Gulaschgeruch.
Selma wollte wissen, ob Janne Siska in letzter Zeit an Valeria etwas aufgefallen wäre.
»Nein. Sie hat ab und zu den kleinen Alexander geholt oder gebracht, das war alles.«
Bringt und holt das Kind, das ist alles . Fast dieselbe Wortwahl. Das ist alles. Eine Floskel, die eher auf das Gegenteil schließen ließ, ähnlich wie der Ausdruck »ehrlich gesagt« meistens darauf hindeutete, dass das Gesagte gelogen war.
»Manchmal, beim Abholen, hat sie sich in die Küche gesetzt und ein Glas Milch getrunken, während ich den Kleinen fertig gemacht habe. Aber sie hat nie viel geredet. Sie war ein bisschen schüchtern. Ein nettes, ruhiges Kind, nicht so frech wie die Gören, die sonst hier wohnen. Es ist so schrecklich, so ein liebes Mädchen.« Janne Siska tupfte sich mit der Ecke ihrer Schürze unter den Augen herum, und Selma fragte sich, warum man Mädchen immer dann als besonders nett empfand, wenn sie ruhig waren.
»Haben Sie diesen Bären schon einmal bei Valeria gesehen?«
Frau Siska betrachtete das braune Plüschtier, das Selma neben sich auf die Eckbank gesetzt hatte.
»Nein.«
»Kennen Sie Valerias Freundin Bahar Haaleh?«
Kopfschütteln.
»Wie gesagt, ich war so gut wie nie da oben.«
»Wann haben Sie Valeria zuletzt gesehen?«
Janne Siskas Blick verfing sich zwischen den Blumentöpfen, als suchte sie dort nach einer Antwort. »Ich weiß es nicht mehr. An dem Montag jedenfalls nicht und die Tage davor... Ich glaube, am Freitag hat Valeria den Kleinen hier abgeholt, weil ihre Mutter mal wieder keine Zeit dazu hatte. Genau weiß ich es aber nicht mehr.«
»Kennen Sie Frau Bobrows Freund, Ivan Krull?«
Janne Siksa runzelte die Stirn und winkte ab.
»Sie scheinen nicht viel von ihm zu halten.«
»Nein, das kann man so nicht sagen. Ich kenne ihn kaum.«
Eine grasgrüne Lüge. Als Selma nachhakte, erzählte sie.
»Ich stand mal vor der Wohnung. Der Kleine war überfällig, und ich musste weg. Also hab ich ihn selbst raufgebracht. Da hörte ich Geschrei, einen Streit, und dann kam der Krull raus. Er roch nach Schnaps und hätte mich fast umgerannt.«
»Worum ging es?«
»Was weiß denn ich? Ich mische mich da nicht ein.«
»Wie kam er denn mit Valeria aus?«
»Das kann ich nicht sagen. Glauben Sie, dass er was mit ihrem Tod zu tun hat?« Sie strich sich eine Haarsträhne, die dem straffen Knoten entkommen war, aus ihrem rundlichen Gesicht.
»Woher wissen Sie denn, dass sie tot ist?«, fragte Selma.
Sie legte den Kopf schief, an ihrem Hals entstanden zwei Wülste. »Ich bitte Sie! Das ist jetzt über zwei Wochen her. Wo soll sie denn sein?«
»Haben Sie etwas beobachtet, was Ihren Verdacht gegen Herrn Krull erhärtet?«
»Verdacht? Ich verdächtige doch niemanden«, wehrte Janne Siska erschrocken ab. »Ich mag ihn nur nicht, und... na ja, in solchen Fällen steckt ja oft der Freund der Mutter dahinter, oder?«
»Würden Sie ihm das zutrauen?«
»Nein!« Sie schüttelte energisch den Kopf und rief: »Das habe ich
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