Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
über Mittag aufgeklart, und sofort zeigte die Stadt noch einmal ihr Sommergesicht.
»War das eben eine Schülerpraktikantin?«, fragte Forsberg.
»Sigrun? Nein, meine Volontärin. Die werden auch immer jünger«, seufzte Eva. »Oder wir immer älter.«
»Du siehst toll aus«, sagte Forsberg mit ehrlicher Bewunderung. Sie war noch schöner als vor vier Jahren. Die paar Falten, die dazugekommen waren, machten ihr Gesicht nur attraktiver. Und was die Kleidung anging: Sie hatte immer schon Geschmack gehabt, aber jetzt schien sie ihn sich mehr kosten zu lassen. Sie trug einen hellgrauen Hosenanzug wie ihn Männer in den Zwanzigerjahren getragen hatten. Die dunklen Locken waren heute streng nach hinten gekämmt, wo sie einen voluminösen Zopf bildeten, und ihre Füße steckten in flachen Budapestern. Vielleicht waren es sogar Herrenschuhe. Forsberg war völlig hingerissen und hatte Mühe, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. Was hatte sie eben wissen wollen? Ob er es nicht auch auffällig fände: erst der Selbstmord Cederlunds und dann der Überfall auf seine Frau.
»Ja«, sagte er.
Einer Nachbarin war am Abend beim Hundespaziergang die zerbrochene Außenlampe aufgefallen. Sie hatte geklingelt, aber nur das Jaulen der Möpse gehört. Mit der Taschenlampe hatte sie die beschädigte Leuchte begutachtet und schließlich zwischen den Scherben am Boden etwas entdeckt, das wie Blut aussah. Da hatte sie die Polizei gerufen.
Marta Cederlund lag bewusstlos und mit einer blutenden Kopfwunde in der Eingangshalle. Die Möpse kauerten in der Küche und knurrten die Polizisten an. Im Arbeitszimmer von Magnus Cederlund lagen Ordner und Bücher auf dem Boden verstreut, der Wandsafe stand offen. Die Safekombination klebte auf der Unterseite des Sockels einer Nackten in Bronze, die umgekippt auf dem Fensterbrett lag. »Wozu dann überhaupt ein Safe? Er hätte das Ding auch gleich offen stehen lassen können«, hatte einer der Spurensicherer gegenüber Forsberg bemerkt.
Auch die restlichen Zimmer der Villa waren durchsucht worden. Martas Schmuck und einige Dokumente lagen nach wie vor im Safe, weder Bilder noch andere Kunst- oder Wertgegenstände waren entwendet worden. Einzig das Hochzeitsfoto, das im Schlafzimmer gestanden hatte, lag mit zerbrochenem Glas im Mülleimer. Martas Handtasche war ausgekippt worden, Papiere und Bankkarten steckten noch im Portemonnaie, nur das Bargeld war weg. Die Spurensicherung hatte im Haus keine fremden Fingerabdrücke gefunden, auch keine brauchbaren Fußspuren vor der Tür, und der Nachbarschaft waren keine verdächtigen Personen aufgefallen.
»Das war kein gewöhnlicher Einbruch. Der Sohn gab an, dass als Einziges der Laptop seines Vaters fehlte. Aber nicht erst seit dem Einbruch, sondern schon seit dem Tod seines Vaters.« Forsberg seufzte. »Die Reichen haben ja immer ihre Geheimnisse...«
»Woher wusste der Täter, dass Dag nur Stunden zuvor weggefahren war?«, rätselte Eva. »Hat er seit der Beerdigung das Haus beobachtet, über zwei Wochen lang?«
»Es reicht ja, wenn man jeden Abend vorbeifährt und nachsieht, ob das Auto noch dasteht«, überlegte Forsberg.
»Die Polizei glaubt also, dass jemand im Haus nach etwas Bestimmtem gesucht hat und Marta eine Art Kollateralschaden war«, fasste Eva zusammen.
Kollateralschaden. Forsberg nickte.
»Und wenn es umgekehrt war? Wenn er in Wirklichkeit Marta umbringen wollte und es als Einbruch tarnte? Vielleicht hielt er sie für tot, als er wegging?«
Forsberg zuckte mit den Achseln. Das war nicht sein Fall, obwohl es ihn nicht kaltließ. Was wollte sie von ihm?
Eva rückte näher an den Tisch und beugte sich in seine Richtung. Ihr Parfum duftete nach englischen Rosen und frisch geschlagenem Holz. Forsberg nahm genüsslich Witterung auf.
»Marta hat mich nach der Trauerfeier angesprochen. Sie wollte etwas mit mir bereden, aber erst, nachdem Dag abgereist war.«
»Wieso mit dir?«
»Wir waren mal Nachbarn, bevor sie nach Långedrag umgezogen sind.«
»Ah«, sagte Forsberg. »Das wusste ich nicht.«
»Das muss auch nicht jeder wissen.«
»Bin ich vielleicht jeder?«
»Ich meine damit vor allem die lieben Kollegen in der Redaktion.«
»Ich dachte immer, ihr seid dort eine große, glückliche Familie.«
»Aber sicher«, sagte Eva.
»Und was wollte Marta von dir?«
»Keine Ahnung. Ich hatte gehofft, du könntest mir was darüber sagen.«
Forsberg schüttelte den Kopf. Sein Nacken, so kahl und leer! Und das jetzt, wo es auf den Winter
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