Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
sie enttäuscht gewesen und auch gekränkt. Aber sie hatte ihn verstanden, und es war ihnen das seltene Kunststück gelungen, freundschaftlich verbunden zu bleiben.
Sie waren im Fall Valeria Bobrow noch immer nicht weitergekommen. Selmas Vermutung, dass Frau Bobrow gelegentlich anschaffen ging, hatte sich erhärtet. Sie hatten bei der Firma, für die sie putzte, die Dienstpläne überprüft und festgestellt, dass sie dieser Tätigkeit nur aushilfsweise nachging, zwei, drei Mal in der Woche. Auf Selmas Drängen hatte Greger Forsberg seinen Chef Anders Gulldén so lange genervt, bis er schließlich zähneknirschend der Überwachung von Frau Bobrows Freund Ivan Krull zugestimmt hatte. Die Aktion war jedoch gerade angelaufen, da war Krull in seine Heimatstadt Tallinn gereist und bis jetzt nicht wieder zurückgekommen. Es blieb wohl nichts anderes übrig, als Frau Bobrow in dieser Sache zu vernehmen und aus ihr herauszuquetschen, wer ihr Zuhälter war. Es gab angenehmere Dinge, als die Mutter eines verschwundenen Mädchens wegen ihres illegalen Broterwerbs in die Zange zu nehmen, weshalb sich Forsberg bisher darum gedrückt hatte. Heute Nachmittag hatte er es eigentlich in Angriff nehmen wollen, aber nun...
»... Nordin gesprochen?« Die spröde Stimme des Vogels riss ihn aus seinen Grübeleien.
»Was?«
»Ich fragte, ob man damals mit Pernilla Nordin gesprochen hat.«
»Pernilla Nordin?«
»Die erste Frau von Holger Nordin, Lucie Hanssons Großvater«, sagte Selma.
Wie, zum Teufel, kam der Vogel jetzt darauf?
»Was steht denn in der Akte?«
»Da steht im Aussageprotokoll von Greta Nordin, Holger Nordins Ehefrau Nummer zwei, ich zitiere: ›Es würde mich nicht wundern, wenn die alte Hexe was damit zu tun hat.‹ Und da steht auch noch, dass Malin Birgersson Pernilla Nordin an ihrem damaligen Wohnsitz nicht angetroffen hatte, weil sie im Krankenhaus war.«
»Aber die Frau ist...«
»Achtundsiebzig. Ich habe sie getroffen. Im Altenheim.«
Wen besuchte der Vogel wohl im Altenheim? »Dann wird sie wohl kaum die Enkelin ihres Exgatten entführt haben.«
»Nein, vermutlich nicht«, antwortete Selma, schnappte sich ihren Kaffeebecher und ging damit zur Tür hinaus. Bestimmt, um Malin wegen der damaligen Befragung von Pernilla Nordin zu löchern.
Ob wohl noch Zeit wäre, um vor dem Treffen mit Eva zum Friseur zu gehen? Es wäre ohnehin mal wieder nötig, fand Forsberg und strich sich über seine kratzigen Wangen und die Flusen im Nacken. Rasierten die einen nicht auch? Türkische Friseure taten das, er hatte es schon von außen beobachtet. Hineingewagt in so einen Laden hatte er sich noch nicht. Ob er Selma danach fragen sollte? Forsberg musste über sich selbst den Kopf schütteln. Mach dich nicht lächerlich, alter Trottel!
Eine junge Frau erhob sich von Evas Tisch, als Forsberg das Café betrat. Sie schien zu Evas Redaktion zu gehören, denn Eva ermahnte sie, sich nicht von Politikergeschwätz einseifen zu lassen, und gab ihr noch ein fröhliches »Du machst das schon, Sigrun« mit auf den Weg. Forsberg nickte ihr im Vorbeigehen zu, und sie lächelte freundlich zurück. Wurden die jungen Leute eigentlich immer jünger oder er immer älter?
»Wurde ja auch Zeit!«, begrüßte ihn Eva Röög.
»Ja, wir hätten schon vor Jahren miteinander ausgehen sollen!«
»Ich meinte den Friseur. Hast du sie abrasiert, weil du eine Glatze kriegst?«
»Also bitte!«
»Steht dir, dieser Bruce-Willis-Look.«
»Willst du mal anfassen?«, lockte Forsberg.
»Lieber nicht.«
Forsberg fuhr sich über das, was dieser tückische Osmane von seinem Haar noch übrig gelassen hatte. Es fühlte sich an wie ein Fußabtreter, und an die Rasur mit einem riesigen Säbel, mit dem vermutlich Süleyman I. schon vor Wien gestanden hatte, durfte er gar nicht zurückdenken, sonst bekam er sofort wieder Schweißausbrüche. Dafür waren seine Wangen jetzt glatt und weich wie ein Babypopo. Nach dem Friseurbesuch hatte er sich ein dunkelgraues Jackett und ein neues Hemd gekauft, dessen Farbe die Verkäuferin Kiesel genannt hatte. Er hatte beides gleich angelassen und das rot karierte Hemd in die Aktentasche gestopft. Nur zu einer neuen Hose hatte er sich noch nicht durchringen können. Man musste es ja auch nicht gleich übertreiben.
Die Bedienung kam, sie bestellten beide Cappuccino. Hier, im Inneren des Cafés, war es fast leer, während auf der Terrasse kaum ein Stuhl kalt wurde. Nachdem der Tag trüb und verhangen begonnen hatte, hatte es
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