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Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)

Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Mischke
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behauptete, es ginge ihr gut und sie bekäme bald eine Gehaltserhöhung. Wann immer ihre Mutter sie um einen Besuch bat, oder den ihren ankündigte, sagte sie kurz vorher ab: Geschäftsreise, Überstunden, eine Erkältung.
    Sie war einsam in dieser Zeit. Mit ihrem immer dicker werdenden Bauch wollte sie am liebsten gar nicht mehr vor die Tür gehen. Nur ab und zu zog es sie an den Hafen. Beim Blick über den Göta älv auf die Kräne der Werften musste sie an die Bank mit der fehlenden Planke in der Lehne denken, auf der sie und ihr Vater oft gesessen hatten. An das leise Plätschern der Wellen zwischen den Steinen am Ufer und das Gekreisch der Möwen. Sie hatten den Schiffen nachgeschaut, bis die Sonne unterging und der Horizont verschwamm. Er hatte Zigaretten gedreht und sie hatte ihr Strickzeug auf dem Schoß gehabt. Ab und zu hatte er eine Geschichte erzählt, eine wahre oder eine erfundene. Als Dachdecker kam er viel herum und hörte so manches. Aber die Sache mit der eigenen Firma war schiefgegangen, was ihm Camillas Mutter bis heute nicht verziehen hatte. Danach hatte er Dächer im Auftrag von Baufirmen gedeckt, Gelegenheitsarbeiten in der Nachbarschaft ausgeführt und war im Winter auf Märkte gefahren und hatte die Pullover verkauft, die Camilla und ihre Mutter übers Jahr gestrickt hatten.
    An einem stürmischen Novemberabend setzten die Wehen ein, drei Wochen zu früh. Der Student aus dem Erdgeschoss fuhr Camilla mit seinem klapprigen Daffodil ins Sahlgrens-Universitätskrankenhaus. Die Geburt dauerte zwanzig Stunden und war ganz anders, als es in den Büchern und den Broschüren des Frauenarztes gestanden hatte. Wie um alles in der Welt sollte man solche Schmerzen »weghecheln«? Es gab Momente, da wollte Camilla lieber sterben, als noch eine Sekunde länger diesen Schmerzen ausgesetzt zu sein. Nur der Gedanke an ihre goldene Zukunft ließ sie das alles irgendwie durchstehen.
    Mit der letzten Presswehe kam der Schock. Es war ein Mädchen. Kein Sohn, kein Erbe. Keine Zukunft als Unternehmergattin. Ein Mädchen. Es war klein geraten und sah aus wie ein nacktes rotes Huhn. Aber angeblich gesund.
    Gefragt, wie die Kleine denn heißen sollte, wusste Camilla keine Antwort. Über Mädchennamen hatte sie nie nachgedacht. Ratlos blickte sie auf das Namensschild am Kittel der Schwester.
    »Lillemor«, sagte sie.
    Am Tag nach der Geburt fragte Camilla die Schwester, was sie tun müsse, um das Kind zur Adoption freizugeben. Aber damit war sie an die Falsche geraten. Schwester Lillemor Söderström machte Camilla klar, dass sie nur an einer Wochenbettdepression litt. Bald würde die Welt wieder ganz anders aussehen. Und was wäre denn überhaupt mit dem Vater? War der Unterhalt denn schon geregelt?
    Camilla war sicher, keine Depression zu haben. Sie war nur enttäuscht und schrecklich wütend. Auf ihn und auf das Kind, das sich mit dem falschen Geschlecht ausgestattet in ihren Körper, in ihr Leben gemogelt hatte. Sie wollte kein Kind. Nicht so. Andererseits hatte die Schwester gerade ein wichtiges Thema angesprochen. Das Geld des Anwalts war aufgebraucht, es musste irgendwie weitergehen.
    Schwester Söderström war eine schlaue und tatkräftige Person, die es nicht leiden konnte, wenn Männer sich vor ihrer Verantwortung drückten. Sie sagte Camilla, was zu tun war.

Pünktlich legte die Germanica III vom Deutschlandterminal ab. Ein paar Abschiedswinker und Schaulustige standen am Kai und hielten den Atem an, als der Koloss unter der Älvsborgsbronn hindurchfuhr. Von hier aus betrachtet, schien es eine haarige Sache von nur wenigen Zentimetern zu sein. Doch die derzeit längste Fähre der Welt passierte die Brücke ohne sie zu streifen und glitt majestätisch den Göta älv hinunter, während die Abendsonne unter der Wolkendecke hervorkroch und das Schauspiel in ein goldenes Licht tauchte.
    Ivan Krull blickte dem Schiff hinterher. Fasziniert hatte er zugesehen, wie Wagen um Wagen und Laster um Laster im Bauch des 240 Meter langen Giganten verschwunden waren. Als Kind hatte er immer Kapitän werden wollen. Er hatte niemanden verabschiedet, er wartete auf einen neuen Geschäftspartner, der ihn hier treffen wollte. Vor zwei Wochen hatte Krull beschlossen, Göteborg für eine Weile den Rücken zu kehren. Auffällig viele Polizisten in Zivil hatten plötzlich seine Wege gekreuzt. Nein, das war keine Paranoia, Krull hatte ein Näschen für Bullen, schon immer. Seit gestern war er wieder in der Stadt. Bullen hin oder her,

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