Töte, wenn du kannst!: Kriminalroman (German Edition)
Bericht des Rechtsmediziners. Also: Tod durch zwei Messerstiche in die linke Herzkammer und den Bauchraum, das Abtrennen des Kopfes erfolgte post mortem . Der Tote konnte anhand der Fingerabdrücke identifiziert werden, sein Name ist Ivan Krull, estnischer Staatsbürger.«
»Krull«, sagte Forsberg und schickte ein versöhnliches Grinsen in Richtung Vogel.
»Vom Kopf fehlt noch immer jede Spur.«
Im Frühjahr kaufte das pummelige Mädchen, das einst mit Camilla im selben Büro gearbeitet hatte, einen Lippenstift bei ihr. Sie hieß Ingegerd. Falls Ingegerd über die näheren Umstände von Camillas Kündigung Bescheid wusste, ließ sie es sich nicht anmerken, und weil gerade wenig los war, fing Camilla ein Gespräch an. Sie erfuhr, dass der Drachen sich das Handgelenk gebrochen hatte – geschieht ihr recht! – und dass Ingegerd zurzeit um ihren Arbeitsplatz bangte. Der Chef würde sich nämlich scheiden lassen und musste seiner Frau sehr viel Geld bezahlen. Die Papierfabrik in Sunne war schon verkauft worden, und ob er das Büro am Hafen behalten konnte, war fraglich. Oder wenn, dann nur mit weniger Angestellten.
Ingegerds Karriere war Camilla herzlich egal, aber das Wort »Scheidung« hatte sie elektrisiert. Sie überhäufte Ingegerd mit Parfum- und Schminkproben und sagte, sie würde sich freuen, wenn sie bald wiederkäme.
Plötzlich waren sie wieder da, die alten Träume, die verdrängten Sehnsüchte. Wider besseres Wissen gab sie sich in den folgenden Wochen der Vorstellung hin, er würde sich bei ihr melden, wenn er erst alles hinter sich hatte. Aber da war auch die bohrende Frage: Warum ließ er sich jetzt scheiden? Warum nicht schon vor einem Jahr? Eine dunkle Ahnung machte sich in ihr breit.
Die Kosmetikproben erfüllten ihren Zweck, Ingegerd schaute nun regelmäßig bei Camilla in der Parfümerieabteilung vorbei. Sie berichtete, dass die Scheidung durch war, dass sie ihre Stelle wohl doch behalten konnte und dass der Chef eine neue Freundin habe. Sie habe sie gesehen. »Ungefähr so alt wie wir!«
Und schwanger.
Das Kind kam im November zur Welt, ein Sohn.
Der Chef habe Sekt ausgegeben, plapperte Ingegerd drauflos, und Camilla war, als blitzte es hämisch in ihren kleinen Schweinsäuglein, und ihr Lächeln kam Camilla gemein und hinterhältig vor.
Sie sagte zu Ingegerd, sie habe heute leider keine Proben übrig.
Ein Sohn.
Vier Wochen später saß Camilla im Sozialraum des Kaufhauses. Sie hatte eine halbe Stunde Pause, um sich vom Weihnachtstrubel zu erholen, und knetete ihre angeschwollenen Füße. Nebenbei schlug sie die herumliegende Zeitung auf und sah die prahlerische Vermählungsanzeige. Von diesem Moment an hatte ihr Hass einen Namen.
Leander nahm sich den Tag frei. Er konnte nicht in den Sender gehen und tun, als wäre alles in Ordnung. Was, wenn der Unbekannte anrief, womöglich mitten in einer Besprechung? Tinka ging es genauso, auch sie blieb zu Hause. Sie vergrub sich in der Küche und buk Zimtschnecken. Das beruhige sie, sagte sie, und Leander, der ruhelos in der ganzen Wohnung herumtigerte, sah sie vor sich, wie sie die Zutaten grammgenau abwog, so wie seine Mutter früher in der Apotheke, wenn sie Salben anrührte.
Ich fordere einen Beweis, dass Lucie lebt, hatte er gestern Abend zurückgesimst. Wir möchten hatte er zuerst schreiben wollen, aber Tinka hatte gemeint, es wäre besser, den Gegner im Ungewissen darüber zu lassen, ob sie eingeweiht war oder nicht. »Außerdem ist möchte viel zu höflich, um mit so einem Mistkerl zu korrespondieren«, hatte sie hinzugefügt.
Leander hatte ihr recht gegeben und sich in einem Anflug von Galgenhumor gedacht, dass sich der Erpresser den falschen Adressaten für seinen Mordauftrag ausgesucht hatte. Wenn einer von ihnen beiden überhaupt die Nerven dazu hatte, dann Tinka. Immerhin verfügte sie über eine gewisse Übung darin.
Am Beginn ihrer Beziehung hatte er manchmal, wenn sie sich am Morgen verabschiedeten, halb im Scherz, halb mit Bedauern gefragt, ob sie wieder Ratten quälen ginge. Irgendwann hatte Tinka das nicht mehr witzig gefunden und geantwortet: »Nur zu deiner Information: Wir forschen über Alzheimer, und ja, es müssen etliche Mäuse und Ratten dran glauben, und nicht nur die. Natürlich ist es unblutiger und sicher genauso wichtig für die Menschheit, dass jemand über Gedichte von Edith Södergran philosophiert und Werke wie Das Loch in der Schwarte mit Per Anhalter durch die Galaxis vergleicht!« Damit hatte sie die
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