Tohuwabohu
den folgenden Tagen klammerte sie sich ergrimmt an ihren Stolz und wies beharrlich die unwirklichen Welten zurück, die die anderen Patienten ihr aufzudrängen versuchten. »Vielleicht sind Sie’s«, sagte sie zu einem Patienten, der sich ihr als Napoleon vorgestellt hatte, »aber ich bezweifle es. Ich bin Miss Hazelstone aus Jacaranda House«, und selbst das Personal erfuhr, daß es unklug sei, sie einfach mit »Hazelstone« anzureden.
»Für Sie Miss Hazelstone«, zischte sie eine Schwester an, die diesen Fehler begangen hatte.
»Man muß doch das Decorum wahren«, sagte sie zu Frau Dr. von Blimenstein, der Psychiaterin, die den Auftrag hatte, sich mit der neuen Patientin zu beschäftigen, und die vergeblich versuchte, Miss Hazelstone dazu zu bringen, die sexuellen Ursachen ihrer Krankheit anzuerkennen. Frau Dr. von Blimenstein war so irrsinnig eklektisch in ihrer wissenschaftlichen Meinung, daß es schwierig war festzustellen, welcher psychologischen Schule sie am meisten zuneigte. Sie war bekannt dafür, schwarzen Patienten Elektroschock- Therapien in unbegrenzter Menge zu verordnen, aber bei weißen legte sie besonderes Gewicht auf sexuelle Schuldgefühle als Ursache ihrer Psychosen. Sie war dermaßen erfolgreich in ihren Behandlungsmethoden, daß es ihr einmal sogar gelungen war, einen Wärter aus dem Schlangenpark in Durban von seiner Angstneurose gegenüber Schlangen zu heilen. Seine Phobie, so behauptete er, war dadurch entstanden, daß er achtundvierzig Male hintereinander von so verschiedenartigen und giftigen Schlangen wie Puffottern, Kobras, Gabunvipern, Brillenschlangen und Aspisvipern gebissen worden war, woran er jedesmal fast gestorben sei.
Frau Dr. von Blimenstein hatte den armen Menschen überzeugt, daß seine Ängste ihrer Ursache nach rein sexuell und durch ein Minderwertigkeitsgefühl entstanden seien, das aus seiner Überzeugung herrühre, daß sein Penis weder so lang noch so dick wie eine ausgewachsene Python sei; darauf hatte sie ihn wieder an seine Arbeit im Schlangenpark zurückgeschickt, wo er drei Wochen später, diesmal mit tödlichem Ausgang, von einer schwarzen Mamba gebissen wurde, deren Länge er zu messen versucht hatte, indem er sie an sein erigiertes Glied hielt, von dem er wußte, daß es sechs Zoll lang war. »Neun Fuß, drei Zoll«, hatte er gerade errechnet, als er den Kopf der Mamba gegen seine glans penis legte. Das war praktisch das letzte, was er ausrechnen konnte, denn dann schlug die Mamba mit einer Bösartigkeit, die durch die absurde Messung völlig gerechtfertigt war, ihre Giftzähne in ihren symbolischen Kontrahenten. Frau Dr. von Blimenstein hatte sich daraufhin von der Psychoanalyse abgewandt und einer mehr behavouristischen Richtung den Vorzug gegeben. Bei Miss Hazelstone war sie zu dem Schluß gelangt, daß keine Gefahr solcher tragischer Entwicklungen bestünde, und hatte ihre Patientin dazu ermuntert, ihre Träume aufzuschreiben, damit man sie nach ihrer symbolischen Bedeutung untersuchen könne, wodurch sich alle ihre Probleme erklären würden. Der Kummer war nur, daß Miss Hazelstone nie träumte, und die zusammengereimten Träume, die sie der Ärztin unterjubelte, waren realistisch bis zum Gehtnichtmehr. Sie waren vor allem mit Penissen und Vaginen durchsetzt, die nicht durch noch soviel symbolische Deutung in irgendwas anderes übersetzt werden konnten.
»Wie wär’s denn mit Schlangen oder Kirchtürmen«, erkundigte sich Miss Hazelstone, als die Doktorin erklärte, wie schwierig das sei.
»Ich habe noch nie von Leuten gehört, die von Penissen träumen«, sagte die Ärztin.
»Wahrscheinlich Wunschträume«, sagte Miss Hazelstone und setzte ihre Schilderung eines Traumes fort, in dem ein Wesen namens Els auf einer Wiese mit einem schwarzen Hund kämpfte.
»Phantastisch«, sagte Frau von Blimenstein, »absolut archetypisch«, und hatte begonnen, über den Schatten zu sprechen, der sich mit der triebhaften Libido in der Wolle liege. »Ja, genauso kam es mir damals vor«, sagte Miss Hazelstone orakelhaft. Nach mehreren Wochen mit diesen Träumen war die Ärztin langsam der Meinung, sie sei unter Verwendung dieses Materials in der Lage, eine Untersuchung mit dem Titel »Der Polizist als Archetyp in der südafrikanischen Psychologie« zu schreiben.
Für Miss Hazelstone bedeuteten diese Gespräche eine Abwechslung von der Langeweile des Lebens in Fort Rapier. »Das Irresein ist ja so eintönig«, sagte sie zur Ärztin. »Man sollte doch meinen,
Weitere Kostenlose Bücher