Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
maßgefertigtes Halfter hinten im Kreuz, wo es vom locker fallenden Flanellstoff verdeckt wurde. Dann schob ich mir die Blendgranate im Jackettärmel hoch in die Achselhöhle, wo sie vom natürlichen Druck des Arms an Ort und Stelle gehalten wurde. Ich hob den Arm ein paar Zentimeter an und schüttelte ihn leicht, und die Granate rutschte nach unten in meine wartende Hand. Zufrieden brachte ich sie wieder in Position.
Ich ließ den Kopf kreisen und hörte meine Nackenwirbel knacken. «Okay. Ich muss los. Bin am Abend wieder zurück. Wartest du hier auf mich?»
Sie nickte, das Gesicht angespannt. «Ich werde hier sein. Komm nur wieder.»
«Das werde ich.» Ich nahm den Aktenkoffer und ging.
In der Hotelhalle waren erst wenige von den Geschäftsreisenden, die sich bald alle beim überteuerten Frühstück treffen würden. Ich ging durch den Haupteingang hinaus und schüttelte den Kopf, als der Portier mir anbot, ein Taxi zu rufen. Lieber ging ich über Umwegen zum Bahnhof, um mich zu vergewissern, dass mir auch niemand folgte. Am Bahnhof würde ich den Zug nach Shinbashi nehmen und von Shinbashi aus nach Yokosuka fahren. Ich hatte direkt vom Bahnhof Tokio fahren können, aber aus den üblichen Gründen zog ich eine umständlichere Route vor.
Es war ein frischer, klarer Morgen: ein Wetter, wie es für Tokio selten ist und ich es schon immer am liebsten hatte. Als ich durch den Hibiya-Park ging, sah ich verwundert eine kleine Asagoo, eine Purpurwinde, im kalten Sprühregen eines der Springbrunnen blühen. Es war eine Sommerblume, und sie kam mir traurig vor, als wüsste sie, dass sie bald in der Herbstkälte sterben musste.
Am Bahnhof Tokio kaufte ich eine Fahrkarte nach Shinbashi, wo ich dann zur Yokosuka-Linie wechselte, nicht ohne mich stets nach hinten abzusichern. Ich kaufte eine Rückfahrkarte nach Yokosuka, obwohl eine einfache Fahrt sicherer gewesen wäre. Alle Soldaten sind abergläubisch, wie Crazy Jake oft gesagt hatte, und alte Angewohnheiten wird man nur schwer los.
Um 7.00 Uhr stieg ich in den Zug, und vier Minuten später, genau nach Fahrplan, rollte er aus dem Bahnhof. Nach vierundsiebzig Minuten hielten wir im Bahnhof Yokosuka. Er liegt am Hafen gegenüber dem Marinestützpunkt. Ich trat auf den Bahnsteig, Aktenkoffer in der Hand, und beschäftigte mich demonstrativ damit, von einer öffentlichen Telefonzelle aus zu telefonieren, während die anderen ausgestiegenen Fahrgäste sich entfernten.
Vom Bahnhof aus ging ich die Promenade hinunter, die direkt am Hafen entlang verläuft. Ein kalter, schneidender Wind fegte mir vom Wasser her ins Gesicht, roch schwach nach Meer. Der Himmel war dunkel, im Gegensatz zu dem klaren Wetter in Tokio. Zu schön, um lange zu währen, dachte ich.
Die Wasseroberfläche im Hafen war so grau und düster wie der Himmel. Ich blieb auf einem Holzsteg mit Blick über den Hafen stehen, betrachtete die wuchtigen, ruhig daliegenden amerikanischen Kriegsschiffe, durch die die wenigen Berge dahinter verblüffend grün wirkten, weil alles andere grau war. Die Abfälle des Militärs wurden rhythmisch gegen die Kaimauer unter mir gespült: leere Flaschen, Zigarettenpackungen und Plastikbeutel, die wie irgendeine eigenartige und aussterbende Art von Meeresgetier wirkten, in der Tiefe verwundet und an die Oberfläche gestiegen, um hier zu sterben.
Der Hafen erinnerte mich an Yokohama und die längst vergangenen Sonntagvormittage, an denen meine Mutter mit mir dorthin gefahren war. In Yokohama ging sie zur Kirche, und sie wollte mich als Katholiken erziehen. Damals fuhren wir vom Bahnhof Shibuya ab, und man brauchte über eine Stunde für die Strecke, nicht nur zwanzig Minuten wie heute.
Ich erinnerte mich an die langen Zugfahrten, auf denen meine Mutter immer meine Hand nahm und mich im wahrsten Sinne des Wortes wegführte von meines Vaters Missfallen darüber, dass sein noch leicht zu beeindruckender junger Sohn durch dieses primitive westliche Ritual verführt werden sollte. Die Kirche war eine heimtückisch sinnliche Erfahrung: die holzigen Gerüche von altem Papier und den Sitzkissen, die geraden Kirchenbänke, steif wie Gipsmodelle, das glitzernde Licht der Buntglasengel, der unheimliche Hall der Liturgie, der fade Geschmack des Abendmahls. Das alles noch verstärkt durch das aufkeimende Gefühl, dass diese Erfahrung durch ein Fenster erfolgte, das mein Vater, die andere Hälfte meines kulturellen Erbes, lieber verschlossen gehalten hätte.
Es wird oft behauptet, dass die
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