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Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag

Titel: Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barry Eisler
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Stunde, ganz vorschriftsmäßig, und das Mädchen ist ihr mit dem Fahrrad direkt vor den Wagen gefahren. Sie konnte nichts mehr machen. Es war Pech. Es wäre jedem passiert, der genau in dem Moment genau dort mit dem Wagen vorbeigefahren wäre.»
    In gewisser Weise verstand ich, was sie damit sagen wollte. Ich hatte es immer gewusst, auch schon vor dem Psychotest, den man mit mir machte, um festzustellen, wie ich mit dem besonderen Stress der SOG fertig wurde. Der Psychologe, mit dem ich reden musste, hatte das Gleiche gesagt: «Wie können Sie sich die Schuld für Umstände geben, auf die Sie keinen Einfluss hatten?»
    Ich erinnere mich an das Gespräch. Ich erinnere mich daran, mir seinen Blödsinn angehört zu haben, halb wütend, halb amüsiert über seine Versuche, mich aus der Reserve zu locken. Schließlich sagte ich nur zu ihm: «Haben Sie schon mal jemanden getötet, Doc?» Als er nicht antwortete, ging ich aus dem Zimmer. Ich weiß nicht, wie er mich bewertet hat. Aber sie zogen mich nicht von den SOG ab. Das kam erst später.
    «Arbeitest du immer noch für diese Leute?», fragte sie.
    «Es gibt Verbindungen», erwiderte ich.
    «Warum?», fragte sie nach einem Moment. «Warum trennst du dich nicht von Dingen, die dir Albträume bescheren?»
    Ich schielte zum Fenster hinüber. Der Mond war höher gewandert, und sein Licht entschwand allmählich aus dem Raum. «Das ist schwer zu erklären», sagte ich langsam. Ich sah ihr Haar in dem schwachen Licht schimmern, wie eine senkrechte Wasserfläche. Ich fuhr mit dem Finger hindurch, hob es mit der Hand und ließ es fallen. «Einiges von dem, was ich in Vietnam gemacht habe, war nicht gerade eine Empfehlung für mich, als ich zurück in die Staaten kam. Es gibt Dinge, die haben nur in einem Kriegsgebiet ihre Berechtigung, aber wenn du es dann verlässt, folgen sie dir. Nach dem Krieg merkte ich, dass ich nicht in mein altes Leben zurückkehren konnte. Ich wollte wieder nach Asien, weil meine Gespenster in Asien noch am wenigsten ruhelos waren, aber das lag nicht bloß an der Geographie. Alles, was ich getan hatte, machte nur im Krieg irgendeinen Sinn, war nur im Krieg irgendwie zu rechtfertigen, und ohne Krieg konnte ich nicht damit leben. Also musste ich weiter im Kriegszustand bleiben.»
    Ihre Augen waren dunkle Flecke. «Aber das kannst du nicht dein ganzes Leben lang, John.»
    Ich lächelte sie schwach an. «Ein Hai kann nicht aufhören zu schwimmen, denn dann stirbt er.»
    «Du bist kein Hai.»
    «Ich weiß nicht, was ich bin.» Ich rieb mir mit den Fingern über die Schläfen, versuchte die Bilder zu verarbeiten, die vergangenen und die gegenwärtigen, die in meinem Kopf kollidierten. «Ich weiß es nicht.»
    Wir schwiegen eine Weile, und ich merkte, wie mich eine angenehme Müdigkeit überkam. Ich würde das alles bereuen. Die hellsichtige Seite meines Verstandes war sich darüber völlig im Klaren. Aber jetzt schien es viel, viel wichtiger zu schlafen. Und überhaupt, was geschehen war, war geschehen.
    Ich schlief, aber unruhig wegen der Schmerzen in meinem Rücken, und jedes Mal, wenn ich kurz wach wurde, hätte ich alles, was passiert war, in Zweifel gezogen, wenn sie nicht neben mir gelegen hätte. Dann glitt ich wieder zurück in den Schlaf, um mit Gespenstern zu kämpfen, die noch persönlicher, noch schrecklicher waren als diejenigen, von denen ich Midori erzählen konnte.

    2

    Wenn dein Schwert das deines Feindes trifft,
    zögere nicht, sondern greife mit der vollkommenen
    Entschlossenheit deines ganzen Körpers an ...
    MIYAMOTO MUSASHI, Das Buch der fünf Ringe

14
    AM NÄCHSTEN MORGEN saß ich mit dem Rücken zur Wand an meinem liebsten Aussichtsplatz im Las Chicas und wartete darauf, dass Franklin Bulfinch auftauchte.
    Es war ein frischer, sonniger Morgen, und bei dem grellen Licht, das durch die Fenster strömte, und der superschicken Atmosphäre, deren das Las Chicas sich rühmt, fühlte ich mich mit meiner falschen Oakley-Sonnenbrille, die ich unterwegs gekauft hatte und die mir eine gewisse Tarnung bot, gut ausgestattet.
    Midori war sicher in der Musikabteilung des Spiral Building auf der Aoyama-dori versteckt, nah genug, um sich falls nötig rasch mit Bulfinch treffen zu können, und doch weit genug entfernt, so dass sie in Sicherheit war, falls die Lage heikel wurde. Sie hatte Bulfinch vor weniger als einer Stunde angerufen und das Treffen vereinbart. Sehr wahrscheinlich war er ein seriöser Journalist und würde allein zum Treffpunkt

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