Tokio Killer 01 - Der erste Auftrag
Beileidsbekundung. «Bitte, fahren Sie fort.»
«Im Laufe des folgenden Monats traf ich mich mehrmals heimlich mit Ihrem Vater, und er klärte mich eingehend über die Korruption im Bauministerium sowie über seine Rolle als Vermittler zwischen der Liberaldemokratischen Partei und der Yakuza auf. Er lieferte mir wertvolle Erkenntnisse über Art und Ausmaß der Korruption in der japanischen Gesellschaft. Aber ich brauchte Beweise.»
«Was für Beweise?», fragte ich. «Können Sie es nicht einfach veröffentlichen und sich auf einen ‹ranghohen Informanten im Bauministerium› berufen?»
«Normalerweise ja», räumte Bulfinch ein. «Aber in diesem Fall gab es zwei Probleme. Erstens, die Informationen, die Kawamura mir lieferte, waren ihm allein aufgrund seiner Position im Ministerium zugänglich. Wenn wir das veröffentlicht hätten, hätten wir seinen Namen auch gleich mit über dem Artikel abdrucken können.»
«Und das zweite Problem?», hakte Midori nach.
«Die Wirkung», antwortete Bulfinch. «Wir haben schon etliche Artikel über die Art von Korruption gebracht, in die Kawamura verwickelt war. Die japanische Presse weigert sich strikt, das Thema aufzugreifen. Warum? Weil die Politiker und Bürokraten Gesetze verabschieden und interpretieren, die inländische Firmen fördern oder vernichten können. Und von den Firmen beziehen die Printmedien über die Hälfte ihrer Anzeigen- und Werbeeinnahmen. Wenn also beispielsweise eine Zeitung einen Artikel druckt, der einen bestimmten Politiker anprangert, dann ruft dieser Politiker seine Kontaktpersonen bei den entsprechenden Firmen an, die prompt ihre Werbung aus der Zeitung zurückziehen und zu einem Konkurrenzblatt wechseln. Es dauert nicht lange und die lästige Zeitung ist bankrott. Verstehen Sie?
Wenn man einen Journalisten außerhalb der von der Regierung geförderten Kisha -Presseclubs eine Story recherchieren lässt, wird man ausgebootet. Wenn man immer schön mitspielt, kommt das Geld wie von allein, legal und illegal. Hier geht keiner ein Risiko ein; alle behandeln die Wahrheit wie eine ansteckende Krankheit. Verdammt, Japans Presse ist so duckmäuserisch wie keine andere auf der Welt.»
«Aber wenn Sie Beweise hätten ...?», fragte ich.
«Unwiderlegbare Beweise würden alles ändern. Dann wären die Zeitungen gezwungen, die Story zu bringen, weil sie sich sonst selbst als reine Instrumente der Regierung entlarven würden. Und die Bloßstellung der korrupten Köpfe würde sie schwächen und der Presse Mut machen. Wir könnten einen Prozess in Gang setzen, der einen so grundsätzlichen Wandel in der japanischen Politik herbeiführen würde, wie ihn das Land seit der Wiederherstellung der Kaisergewalt unter dem Meiji-Tenno nicht mehr erlebt hat.»
«Ich denke, möglicherweise überschätzen Sie den Ehrgeiz unserer Medien», sagte Midori.
Bulfinch schüttelte den Kopf. «Nein. Einige von den Leuten kenne ich gut. Es sind gute Journalisten, sie wollen veröffentlichen. Aber sie sind eben auch Realisten.»
«Die Beweise», sagte ich. «Wie sehen die aus?»
Bulfinch blickte mich über den Rand seiner Brille hinweg an. «Das weiß ich nicht genau. Nur, dass es eindeutige Beweise sind. Unanfechtbare.»
«Dann wäre es vielleicht besser, nicht die Presse, sondern die Keisatsucho würde die CD bekommen», sagte Midori und meinte Tatsus Ermittlerabteilung.
«Dein Vater hätte keinen Tag mehr zu leben gehabt, wenn er die Informationen an die Polizei gegeben hätte», sagte ich und ersparte Bulfinch die Antwort.
«Stimmt», bestätigte Bulfinch. «Ihr Vater war nicht der Erste, der die Korruption beenden wollte. Sagt Ihnen der Name Honma Tadayo etwas?»
Ach ja, Honma-san. Eine traurige Geschichte.
Midori schüttelte den Kopf.
«Als die Nippon Credit Bank 1998 in Konkurs ging», fuhr Bullfinch fort, «waren vom gesamten Darlehensbestand in Höhe von einhundertdreiunddreißig Milliarden Dollar mindestens sechsunddreißig Milliarden Dollar und vermutlich noch viel mehr uneinbringlich geworden. Diese so genannten Not leidenden Kredite hingen mit der Unterwelt zusammen, sogar mit illegalen Zahlungen an Nord-Korea. Um Ordnung in das Chaos zu bringen, engagierte ein Auffangkonsortium den angesehenen ehemaligen Direktor der Bank of Japan, Honma Tadayo. Anfang September wurde Honma-san zum Präsidenten der NCB ernannt, und er fing an, sich durch die Bücher der Bank zu arbeiten, um den vollen Umfang der Not leidenden Kredite ans Licht zu bringen und um zu
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