Tokio Killer - 02 - Die Rache
Bühne kaum bewegen konntest.»
«Ja, stimmt.»
«Damals hättest du niemals einen Lapdance gemacht.»
«Stimmt.»
«Aber jetzt tust du es.»
«Ja.» Ihre Stimme war leise, fast ein Flüstern.
«Als du deinen ersten Lapdance gemacht hast, hast du wahrscheinlich gesagt, du würdest dich niemals von einem Kunden anfassen lassen.»
«Das hab ich tatsächlich gesagt», sagte sie. Ihre Stimme war noch leiser geworden.
«Natürlich hast du. Ich könnte das so fortsetzen. Ich könnte dir sagen, wo du in drei Monaten sein wirst, in sechs Monaten, einem Jahr. In zwanzig Jahren, wenn du so weitermachst wie bisher. Naomi, meinst du wirklich, das sei alles Zufall? Es gibt Leute, die sind darauf spezialisiert, andere dazu zu bringen, morgen das tun, was ihnen heute undenkbar erscheint.»
Naomi war jetzt ganz still, und ich fragte mich, ob sie mit den Tränen kämpfte.
Ich musste es nur noch ein kleines bisschen weiter treiben, bevor ich aufhörte. «Möchtest du wissen, was als nächstes kommt?», fragte ich.
Sie sah mich an, sagte aber nichts.
«Du weißt, dass die Mädchen im Damask Rose dazu benutzt werden, Politiker zu erpressen oder so was in der Art. Die anderen Mädchen tuscheln darüber, aber das ist nicht alles. Man hat dich schon angesprochen, habe ich Recht? ‹Es gibt da einen ganz besonderen Gast, dem du gut gefällst. Wir möchten gerne, dass du mit ihm losziehst und richtig nett zu ihm bist. Wenn er hinterher zufrieden ist, zahlen wir dir ein hübsches Sümmchen.› Vielleicht haben sie eine Hotelsuite gemietet, wo du mit ihm hingehen solltest. Da wollten sie ihn abhören, auf Video aufnehmen.
Du hast dich geweigert, schätze ich. Aber sie haben dich nicht unter Druck gesetzt. Warum auch? Sie wissen ja, dass du irgendwann klein beigibst.»
«Das stimmt nicht», stieß sie plötzlich hervor und wedelte mit dem Finger vor meinem Gesicht.
Ich sah sie an. «Wenn es nicht stimmte, würdest du nicht so reagieren.»
Sie musterte mich mit verletzten, zornigen Augen, und ihre Lippen zuckten, als suchte sie nach Worten.
Das reichte. Jetzt war es an der Zeit festzustellen, ob meine Worte die gewünschte Wirkung hatten.
«He», sagte ich sanft, aber sie schaute nicht auf. «He.» Ich legte meine Hand auf ihre. «Es tut mir Leid.» Ich drückte kurz ihre Finger, dann zog ich meine Hand zurück.
Sie hob den Kopf und sah mich an. «Du denkst, ich bin eine Prostituierte. Oder auf dem besten Weg, eine zu werden.»
«Das denke ich nicht», sagte ich kopfschüttelnd.
«Woher weißt du das alles?»
Zeit für eine ehrliche, aber gebührend ungenaue Antwort. «Vor langer Zeit und in einem anderen Zusammenhang habe ich das durchgemacht, was du jetzt durchmachst.»
«Was soll das heißen?»
Einen Moment lang sah ich Crazy Jake vor mir. Ich schüttelte den Kopf, um ihr zu zeigen, dass ich darüber nicht sprechen wollte.
Wir schwiegen eine Weile. Dann sagte sie: «Du hattest Recht. Ich hätte nicht so heftig reagiert, wenn das alles nicht stimmen würde. Das sind Dinge, über die ich viel nachgedacht habe, und ich war mir selbst gegenüber nicht so ehrlich, wie du es gerade warst.» Sie streckte den Arm aus und ergriff meine Hand. Sie drückte sie fest. «Danke.»
Ich empfand eine eigentümliche Mischung von Gefühlen: Befriedigung darüber, dass meine Manipulation funktionierte, Mitleid mit ihrer schwierigen Situation, schlechtes Gewissen, weil ich ihre Naivität ausnutzte.
Und tief innen fühlte ich mich noch immer von ihr angezogen. Die Berührung ihrer Hand war mir unangenehm bewusst.
«Du musst mir nicht danken», sagte ich, ohne sie anzusehen. Ich erwiderte den Händedruck nicht. Nach einem Moment nahm sie die Hand weg.
«Versuchst du wirklich nur, einem Freund zu helfen?», hörte ich sie fragen.
«Ja.»
«Ich würde dir helfen, wenn ich könnte. Aber mehr als ich dir eben erzählt habe, weiß ich auch nicht.»
Ich nickte und dachte an die CIA und Yamaoto. Worin mochte nur die Verbindung bestehen? «Ich möchte dich was fragen», sagte ich. «Wie viele Westler kommen in den Club?»
Sie zuckte die Achseln. «Ziemlich viele. Rund zehn, zwanzig Prozent der Gäste. Warum?»
«Hast du mal gesehen, dass Murakami mit ihnen zusammensaß?»
Sie schüttelte den Kopf. «Nein.»
«Was ist mit Yukiko?»
«Auch nicht. Ihr Englisch ist ziemlich schlecht.»
Erfolglos. Sie wusste nichts. Allmählich kamen mir doch Zweifel, ob sie mir weiterhelfen könnte.
Ich sah auf die Uhr. Es war fast fünf. Die Sonne würde
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