Tokio Killer 04 - Tödliches Gewissen
großer Mann aufgefallen, rotblondes Haar, und dann hab ich ihn gestern nach dem Essen hier wiedergesehen. Hast du ihn bemerkt?«
»Nein«, sagte ich und schüttelte automatisch den Kopf, als wäre es nicht wichtig und vermutlich bloß ein Zufall. Verdammt, sie hatte mich überrumpelt.
Sie nickte. »Ich fand es nur merkwürdig, dass er zur selben Zeit wie wir am Flughafen in Bangkok war und anschließend hier, aber nicht mit uns im Flugzeug.«
»Vielleicht hat er auf jemanden gewartet, und sie haben eine spätere Maschine genommen.«
Sie blickte mich an. »Ich wundere mich, dass mir diese Ungereimtheit aufgefallen ist und dir nicht. Ich weiß doch, wie genau du deine Umgebung wahrnimmst.«
Verflucht. Ich wusste, dass sie mich erwischt hatte. Dennoch sträubte ich mich noch einen Moment länger. Ich sagte: »Ich bin wohl nicht mehr so auf Draht, wie ich es mal war.« So ungeschickt, wie ich auf ihren Köder reagiert hatte, klangen meine Worte beunruhigend wahr.
»Wenn du ihn nicht kennst und ihn nicht bemerkt hast, müsste es dich eigentlich alarmieren, von ihm zu erfahren«, stellte sie messerscharf fest.
Ich sagte nichts. Dox war aufgeflogen. Ich konnte nichts mehr machen.
»Wer ist er?«, fragte sie.
Ich seufzte. »Mein Partner.«
Sie nickte, als hätte sie das bereits gewusst, was ja eigentlich auch der Fall war. »War er in Manila auch dabei?«
Ich zuckte die Achseln. Was hätte ich sagen sollen?
»Dann kannst du ihn auch herrufen. Wir sollten uns unterhalten.«
Mir wurde klar, dass ich noch nie mit Dox in Gesellschaft eines zivilisierten Menschen gewesen war. Die Aussicht behagte mir ganz und gar nicht.
»Ich halte das für keine gute Idee«, sagte ich.
Aber sie fasste meine Zurückhaltung falsch auf. »Es wäre sinnvoll, wenn wir uns gemeinsam Gedanken machen würden.«
Zum zweiten Mal in den letzten zwei Tagen dachte ich: Das kann nicht gut gehen.
Ich nahm mein Handy heraus und rief ihn an. Er meldete sich sofort. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Prima«, sagte ich, das Codewort, um ihm zu sagen, dass tatsächlich alles in Ordnung war, dass ich nicht unter Druck stand. »Aber meine Freundin hat dich am Flughafen bemerkt und dann hier. Sie würde dich gerne kennenlernen.«
»O Mann, wieso hat sie mich gesehen? Du musst es ihr gesagt haben.«
»Hab ich nicht. Du bist ihr einfach aufgefallen.«
»Wie denn? Verdammt, ist das peinlich.«
Ich sah zu Delilah hinüber. Sie schmunzelte, amüsierte sich über die Reaktion, die sie sich am anderen Ende der Leitung vorstellte.
»Ich hab dir gesagt, sie ist gut«, sagte ich. »Ja, offensichtlich. Hast du vor, mir die Hölle heißzumachen?"
"Und ob.«
Er zögerte. »Verstehe. Ich schätze, das hab ich verdient. Aber nicht in ihrem Beisein, klar? Das ist auch so schon peinlich genug.«
»Na schön.«
»Versprich es.«
Himmel. »Ich verspreche es.«
»Okay, wo soll es stattfinden?« Sein Tonfall klang wie bei einem kleinen Jungen, der sich mit der Aussicht auf eine Tracht Prügel abgefunden hat.
»Ich glaube, es wäre am besten hier bei uns im Zimmer. Man muss uns drei ja nicht unbedingt zusammen sehen.«
Er seufzte. »Ich bin gleich da.«
Ich legte auf. Delilah fragte: »War er wütend?« Ich zuckte die Achseln.
»Es war ihm unangenehm.« Sie lächelte.
»Wäre es mir auch.«
»Ich musste ihm versprechen, dass ich ihm nicht in deinem Beisein die Hölle heißmache.«
Ihr Lächeln wurde breiter. »Darum ging's bei dem Versprechen?«
Ich nickte und fügte arglos hinzu: »Aber das gilt nur für mich. Du hast gar nichts versprochen.«
Sie lachte leise und sagte: »Wie ich sehe, hast du eine sadistische Ader.«
Ich sah sie an. »Wieso ist er dir aufgefallen? Im Ernst jetzt?«
»Ich hab doch schon gesagt, diese Ungereimtheiten. Und dann ... er ist sehr groß, aber wenn man ihn ansieht, scheint er fast nicht da zu sein.«
Ich nickte. Ich sah keine Veranlassung, ihr von seiner Scharfschützenvergangenheit zu erzählen. Ich sagte: »Er ist wie Dr. Jekyll und Mr. Hyde. Die meiste Zeit ist er laut und schrill wie eine Polizeisirene. Aber wenn er sich zurücknimmt, kann er praktisch unsichtbar werden."
"Genau das hat mich misstrauisch gemacht. Ich habe ihn nicht bemerkt, aber dann hab ich bemerkt, dass ich ihn nicht bemerkt hab, verstehst du, was ich meine? Ich hab ein zweites Mal hingeschaut und gesehen, wie massig er ist. Da wusste ich, dass er ein Profi ist. Es ist nicht leicht für einen großen Mann, sich so in den Hintergrund zu spielen.
Weitere Kostenlose Bücher