Tokio Killer 06 - Letzte Vergeltung
…«
»Ja, ich weiß. Delilah war in dieser Hinsicht schon ziemlich überzeugend.«
Er sah mich an. »Behandeln Sie sie gut?«
Ich erwiderte den Blick. »Das geht Sie eigentlich nichts an, oder?«
Er zuckte die Achseln. »Sie ist meine Kollegin, und sie steht mir nah wie eine Schwester. Wir geben uns gegenseitig Rückendeckung.«
Ich nickte. »Dann verstehe ich, dass Sie die Frage stellen.«
»Also? Behandeln Sie sie gut?«
Ich musste unwillkürlich lachen. Er lachte auch. »Ich weiß, ich weiß«, sagte er. »Wir Israelis sind aufdringlich. Wissen Sie, dass es im Hebräischen kein Wort für ›Entschuldigung‹ gibt?«
»Was?«
Er zuckte die Achseln. »Ein alter Witz. Aber mit einem Funken Wahrheit. Wenn ich meine Nase in Sachen stecke, wo sie nichts zu suchen hat, verzeihen Sie mir.«
»Wir … kommen klar«, erwiderte ich und musste daran denken, was sie erst wenige Stunden zuvor am Telefon zu mir gesagt hatte. »Es ist aber nicht einfach.«
Er lachte wieder. »Das ist es nie, mein Freund. Das ist es nie.«
Wir schwiegen einen Moment. Ich fragte: »Haben Sie … Familie?«
Er nickte. »Drei Söhne und eine kleine Tochter. Gott sei Dank haben wir doch noch ein Mädchen bekommen. Meine Frau hatte die Hoffnung schon aufgegeben. Und Sie?«
»Das ist eine lange Geschichte«, sagte ich nach kurzem Zögern.
Wir schwiegen wieder, und diesmal hakte er nicht nach.
»Wieso hat Hilger Ihren Freund entführt?«, fragte er.
»Ist das wichtig?«
Er zuckte die Achseln. »Es ändert nichts daran, was mit Hilger passiert.«
»Nein, es rechtfertigt es nur.«
»Gut.«
Wir waren mit dem Essen fertig. Er sagte: »Und? Wie wollen Sie vorgehen?«
Ich zuckte die Achseln. »Zeigen Sie mir, wie der Apparat funktioniert. Den Rest erledige ich.«
Er nickte. »Ich schulde Delilah hundert Schekel.«
»Wie bitte?«
»Sie hat gesagt, dass Sie das sagen würden.«
Ich sah ihn perplex an.
»Ich kann es Ihnen nicht zeigen. Dazu ist Ausbildung und Erfahrung nötig. Wenn Sie zu niedrig dosieren, ist der Effekt gleich null. Wenn Sie zu hoch einstellen, kochen Sie die inneren Organe Ihres Freundes. Und während Sie noch rumfummeln, um es richtig hinzukriegen, werden Sie wahrscheinlich bereits vom Boot aus beschossen. Seien Sie nicht dumm.«
Ich gab keine Antwort.
»Außerdem«, fuhr er fort, »hab ich schon einen Van, einen Fahrer …«
»Herrje, Sie sind nicht allein?«
»Niemand arbeitet heute noch allein, Rain. Sie sind der Einzige, den ich kenne.«
Wieder antwortete ich nicht. Ich versuchte, mir vor Augen zu führen, wie rasch und gründlich ich die Kontrolle über diese Operation verloren hatte. Und gleichzeitig dachte ich oder, besser gesagt, gestand ich mir ein, dass meine Erfolgsaussichten sich verbessert hatten.
»Naftali wird Ihnen gefallen«, sagte er. »Er ist mit Leib und Seele Fahrer.«
»Das hört sich doch gut an«, sagte ich.
»Nur besonders gesprächig ist er nicht. Ich glaube, er kann gar nicht sprechen.«
»Das kann doch ganz wohltuend sein.«
Er lachte. »Ich schlage Folgendes vor. Naftali fährt den Wagen. Ich bediene das Gerät. Sie sind fürs Schießen zuständig. Ich nehme an, Sie sind ausgerüstet?«
»Mit einer Kanone.«
»Wie bitte?«
»Schon gut. Ja, ich bin ausgerüstet. Und ich hab auch schon einen Fahrer.«
»Ist nicht Ihr Ernst.«
»Doch. Ich glaube, wir müssen uns alle zusammensetzen. Wenn wir die Sache nicht koordinieren …«
»Sie haben recht, dann wird das Ganze ein Riesenschlamassel.«
Er hob die Augenbrauen und sah mich an. Ich bestätigte ihm mit einem Nicken, dass ich seine Wortwahl treffend fand. »Ja«, sagte ich. »Ein Riesenschlamassel.«
Er lächelte. »Und Sie sind sich sicher, dass Hilger auf dem Boot sein wird, wie Delilah sagt?«
Ich zögerte weder, noch erweckte ich sonst wie den Verdacht, dass ich log. »Ja«, sagte ich. »Ich bin mir sicher.«
»Gut. Dann setzen wir uns doch mit unseren beiden Fahrern zusammen. Wir haben nicht viel Zeit.«
29
HILGER GING VON BORD. Er ließ Guthrie und Pancho mit Dox allein. Er musste im Bulletin Board nachsehen, und dazu bevorzugte er anonyme Computerterminals wie in Internetcafés. Er konnte feststellen, von wo Rain auf das Board zugriff, und obschon er vorgesorgt hatte, dass Rain das anders herum nicht konnte, würde ein bisschen Vorsicht nicht schaden.
Er ging zuerst ein Stück zu Fuß und vergewisserte sich, dass er nicht beschattet wurde. Dann nahm er ein Taxi zum Ritz-Carlton, wo er sich im Business Center
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