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Tokio

Tokio

Titel: Tokio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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hatte mich hier anhalten lassen? Es war eine Reifenspur. Hier hatte ein Auto geparkt. Adrenalin schoss durch meine Adern. Das Auto musste sehr lange hier gestanden haben, denn der Umriss war scharf, und da lag ein Haufen aufgeweichter Zigarettenstummel. Ich wich eilig in den Schatten des Hauses zurück. Die Reifenspuren führten schnurgerade bis zur Waseda Street, wo ein oder zwei Wagen vorbeifuhren, lautlos, das Motorengeräusch gedämpft vom Schnee. Sonst war nichts zu sehen. Ich atmete flach. Mein Blick wanderte zu den Fenstern der abbruchreifen alten Hütten, einige gelb erleuchtet, so dass man dahinter Gestalten erkennen konnte. Alles schien ganz normal. Das hier bedeutet nichts, sagte ich mir, während ich auf die Reifenspur starrte. Es bedeutet nichts. Leute parken immer in Gassen, denn Abgeschiedenheit war in Tokio schwer zu finden.
    Ich schlich mich vorsichtig weiter, immer dicht am Haus entlang, so dass meine Schultern den Schnee von den Sicherheitsgittern im Erdgeschoss fegten. An der Ecke beugte ich mich vor und spähte zur Haustür. Sie war geschlossen, und eine Schneewehe hatte sich davor gebildet. Ich zitterte, als ich zur Tür trat und eilig meinen Schlüssel ins Schloss steckte. Jasons Fernseher lief. Ein flackerndes blaues Licht schien unter seiner Tür durch, ansonsten war es stockdunkel. Ich erklomm zögernd die Treppe, darauf gefasst, dass jeden Augenblick etwas auf mich zugerast käme. Am Ende der Treppe blieb ich keuchend im schummrigen Licht stehen. Das Haus war still. Kein knarrendes Dielenbrett, kein Atemgeräusch. Meine Knie schlotterten, als ich zu Jasons Zimmer ging. Ich konnte ihn im Wandschrank atmen hören. »Jason?«, flüsterte ich. Im Zimmer war es eiskalt, und es hing ein unangenehmer Geruch in der Luft. »Kannst du mich hören?«
    »Ja. Hast du jemanden erreicht?«
    »Sie sind auf dem Weg«, hauchte ich. Ich kletterte über den Schreibtisch. »Aber du kannst nicht warten, Jason, du musst jetzt sofort von hier weg. Die Krankenschwester wird zurückkommen.« Ich stellte mich neben den Wandschrank und legte meine Hand an die Tür. »Komm, ich helf dir nach unten und ...«
    »Was machst du? Was zum Henker soll das! Bleib vom Schrank weg.«
    »Jason! Du musst jetzt sofort hier weg ...«
    »Denkst du, ich hab dich nicht gehört? ICH HABE DICH
    GEHÖRT. Und jetzt geh von der Scheißtür weg.«
    »Ich gehe nirgendwohin, wenn du mich anschreist. Ich versuche dir zu helfen.«
    Er schnaubte wütend. Nach einer Weile, als er sich etwas beruhigt hatte, kam er dicht an die Schranktür. »Hör mir zu. Hör gut zu ...«
    »Wir haben keine Zeit für ...«
    »Ich hab gesagt, du sollst zuhören! Ich will, dass du in die Küche gehst. Da sind Lappen unter der Spüle. Bring mir alle - und auch die Handtücher aus dem Badezimmer, alles, was du finden kannst.« Er versuchte, sich aufzurappeln. Etwas Zähflüssiges, mit Haaren Verklebtes war aus dem Wandschrank heraus ein kurzes Stück über den Boden gelaufen und dort geronnen. Ich konnte meinen Blick nicht davon losreißen. »Dann holst du meine Umhängetasche von der Garderobe und meinen Koffer - liegt der noch draußen vor der Tür?«
    »Ja.«
    »Bring mir alles aus dem Koffer, und dann will ich, dass du das Licht ausmachst und aus dem Haus verschwindest. Um den Rest kümmere ich mich.«
    »Ich soll das Licht ausschalten?«
    »Das hier ist keine beschissene Freakshow. Ich kann drauf verzichten, dass du mich anstarrst.«
    Mein Gott, dachte ich, während ich über den Schreibtisch in den Korridor kletterte, was hat sie dir angetan? Ist es das Gleiche, was mit Bison geschehen ist? Er ist tot. Bison ist daran gestorben. Die Fensterläden standen alle offen, und draußen schneite es noch immer. Die Plastiktüte am Baum warf einen langen Schatten an die Wand. Ich konnte mich nicht erinnern, dass es im Haus je so kalt gewesen war. In der Küche griff ich mir alle Lappen, derer ich habhaft werden konnte; anschließend holte ich Handtücher aus dem Bad. Dann ging ich mit zittrigen Knien zurück zu Jason.
    »Leg alles neben den Schrank. Ich habe gesagt, du sollst mich nicht ansehen!«
    »Und ich habe gesagt, du sollst mich nicht anschreien.« Ich kletterte wieder in den Flur, um seine Umhängetasche von der Garderobe zu holen. Während ich Mäntel und Jacken beiseite schob, lauschte ich angestrengt hinaus auf die Gasse, stellte mir vor, wie die Krankenschwester lautlos die Straße entlang auf uns zuschlich, wie sie vor dem Haus stand, zu den Fenstern

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