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Tokio

Tokio

Titel: Tokio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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da, die Hände ausgestreckt, und stierte auf den papiernen AkkordeonDrachen, der sich zuckend auf dem Boden wand, während sich die Gummibänder abwickelten.
    Shi Chongming schnippte ihn mit seinem Stock vom Boden
    hoch, fing ihn auf und steckte ihn in seine Tasche. »Keine Sorge. Ich bin kein Zauberer.«
    Ich sah ihn mit hochrotem Gesicht und klopfendem Herzen
    an.
    »Das ist nur ein kleines Kunststück für Kinder. Schau
    en Sie nicht so entsetzt drein. Bitte, nehmen Sie wieder Platz.«
    Nach einer Weile, als ich ganz sicher war, dass der Drache nicht aus seiner Tasche springen würde, hob ich meinen Stuhl auf und setzte mich, ohne ihn dabei aus den Augen zu lassen.
    »Sie sollten begreifen, dass es, wenn Sie über die Vergangenheit reden, so ist, als würde man Phosphor bei bewölktem Himmel der Luft aussetzen. Die Vergangenheit besitzt verwandelnde Kraft. Die Kraft von Wind oder Feuer. Wir müssen etwas so Zerstörerischem mit Respekt begegnen. Und Sie wollen einfach ohne Überlegung da hineinstolzieren? Es ist ein Land voller Gefahren. Sie müssen ganz sicher sein, dass Sie Ihren Weg fortsetzen wollen.«
    »Natürlich«, sagte ich und musterte ihn noch immer argwöhnisch. »Natürlich will ich das.«
    »Es gab da einen Professor, der sein Bestes für seine Universität in China tun wollte.« Shi Chongming hielt geziert seine Teetasse. Während er sprach, sah er mich nicht an, sondern richtete seine Worte ins Leere. »Ich hoffe, Sie können mir folgen. Dieser Professor hatte gehört, dass es in Hongkong ein Unternehmen gebe, einen Hersteller von chinesischen Arzneien, der sich mit einer Universität zusammentun wolle, um die traditionelle Heilkunde wissenschaftlich unter die Lupe zu nehmen. Er wusste, wie wichtig es war, dass seine Universität diesen Partnerschaftsvertrag bekam, doch er wusste auch, dass sein Forschungsteam etwas ganz Besonderes entdecken musste, um das Unternehmen auf sich aufmerksam zu machen.« Shi Chongming beugte sich vor und senkte seine Stimme. »Dann hörte er eines Tages, über verborgene Kanäle, Gerüchte über ein Tonikum, das eine bemerkenswerte Wirkung besaß. Es wurde gemunkelt, es könne, neben anderen Dingen, chronische Diabetes, Arthritis, sogar Malaria heilen.« Er sah mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Können Sie sich
    vorstellen, wie außerordentlich es wäre, wenn dies der Wahrheit entspräche?«
    Ich antwortete nicht, fürchtete mich noch immer vor Shi Chongming und seinem Papierdrachen. Was hatte ich eigentlich von diesem Treffen erwartet? Sein Nachgeben vielleicht? Womit ich nicht gerechnet hatte, war der entschlossene Ausdruck auf seinem Gesicht, als er jetzt sprach.
    »Der Professor wusste, wenn seine Universität die Ingredienzen für dieses Tonikum herausfinden könnte, dann hätte sie eine Chance, diesen Partnerschaftsvertrag zu bekommen. Es kostete ihn eine Menge harter Arbeit und viele heimliche Erkundigungen, doch schließlich spürte er jemanden auf, von dem es hieß, er befände sich im Besitz des Tonikums. Es gab nur ein Problem - jene Person lebte in Japan.«
    Er stellte seine Tasse ab, setzte sich etwas aufrechter hin und legte beide Hände auf die Oberschenkel, so als wäre er ein kleiner Junge, der beichtet. »Ich bin nicht gänzlich ehrlich gegenüber der Todai-Universität gewesen. Man glaubt hier, mein Forschungsinteresse gelte der Frage, welche chinesischen Traditionen die japanischen Soldaten mit nach Hause gebracht haben. Aber das ist nur Fassade. Ich habe mich aus einem einzigen Grund um den Posten hier bemüht: um nach Japan zu kommen und die Bestandteile dieses Tonikums
    herauszufinden.«
    »Sie haben gelogen, wollen Sie damit sagen. Sie haben gelogen, um die Stelle zu erhalten.«
    Er lächelte gequält. »Wenn Sie es so ausdrücken wollen. Ja, ich habe gelogen. Die Wahrheit ist, dass ich in Japan bin, um die Zukunft meiner Universität zu sichern. Wenn ich herausfände, woraus diese mysteriöse Substanz besteht, würde sich alles ändern - nicht nur für mich, sondern für viele andere auch.« Er rieb sich müde die Augen. »Leider war meine Ankunft in Tokio nicht das Ende der Suche. Eher der Anfang. Der Mann, mit dem ich reden will, ist sehr alt, über achtzig, und einer der mächtigsten Männer
    Japans. Er ist umgeben von Leuten, denen man strikt verboten hat zu reden, und die meisten Informationen, die durchsickern, sind Gerüchte und Aberglaube.« Shi Chongming lächelte. »Um es rundheraus zu sagen, ich stecke in einer

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