Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)
den Raum verlassen hatte.
14. Gespräche
Die bleierne Müdigkeit und das Zittern nahmen über die nächsten Tage langsam ab. Gleichzeitig kehrten Kates Lebensgeister zurück und damit ihre Neugier, weshalb Gustav und Madame sich so anders als sonst verhielten.
In der folgenden Woche kam Madame außergewöhnlich häufig ins Haus und rief dann Gustav zu sich oder suchte ihn im Labor und der Bibliothek auf. Obwohl sie Kate glücklicherweise in Ruhe ließ, zuckte diese beim Geräusch der klackenden Absätze trotzdem zusammen und erwartete das Schlimmste.
Gustav wirkte verärgert, fast zornig, wenn Madame erschien. Kate bemühte sich, ihn nicht zusätzlich zu reizen. Nicht, dass sie viel Erfolg gehabt hätte. Bei der kleinsten Nachlässigkeit überzog er sie mit Häme und schimpfte, wie faul und unfähig sie sei. In schneller Folge entließ er die Küchenhilfe und das gerade erst eingestellte Hausmädchen für geringfügige Fehler. Im Gegensatz zu seinen sonstigen Gepflogenheiten stellte er niemanden Neues ein.
Am Dienstagabend wurde Kate Zeugin, wie die Köchin ein gut gefülltes Tablett zu Madames Gemächern trug. Verwundert sah sie ihr hinterher.
Schlief die Herrin etwa schon wieder hier?
Sie kämpfte mit sich. Heute Nacht ergab sich eventuell eine Gelegenheit zu erfahren, was Gustav so erzürnte und die Hausherrin derart häufig hierher brachte. Dazu musste sie allerdings ein weiteres Mal in den Geheimgang.
Als sie in der Nacht aufwachte, erinnerte sie sich an ihren Plan, Madame zu belauschen. Sie trotzte der bitteren Nachtkälte, kleidete sich hastig an und entzündete ihre Lampe am unteren Gaslicht. Dann machte sie sich auf den Weg.
Die Bibliothek lag verlassen da. Im Kamin war noch die Asche eines erloschenen Feuers, doch die Schaufel schütze sie vor ihr. Ein Tritt auf den Haken öffnete den Geheimgang und sie schlüpfte hinein.
Auf dem Weg zu Madames Räumen lauschte sie immer wieder nach Geräuschen. Ab und zu knackte es, aber das war nichts Ungewöhnliches. Sie wählte die Abzweigung nach unten, kletterte die Leiter hinunter und schlich weiter.
»Natürlich habe ich mir das gut überlegt!«, donnerte es plötzlich.
Kate fuhr zusammen. Die Stimme gehörte dem Mann, der mit Madame Tee getrunken hatte. Bruce.
»Ich halte es für zu gefährlich. In meinem Haus. Wenn Elise mich erkennt!« Madame sprach aufgeregt, überschlug sich dabei beinahe, als fürchte sie, er ließe sie nicht ausreden.
»Unsinn. Bleib weg von ihr und alles verläuft nach Plan. Dein Helfer erledigt den gesamten Kontakt mit ihr, wie abgemacht.«
Madame stieß eine Flut ausländisch klingender Worte aus, die in Kates Ohren wie Flüche klangen.
»Du hilfst mir noch ein einziges Mal und ich löse mein Versprechen ein«, fuhr der Mann dazwischen.
»Gustav ist dagegen«, entgegnete Madame.
»Ich bitte dich! Seit wann darf deine Marionette eine eigene Meinung vertreten?«, rief ein offensichtlich verärgerter Bruce. Ruhiger setzte er hinzu: »Audra, ich verlasse mich auf dich. Ich muss jetzt aufbrechen. Wir hören voneinander.«
Madame brachte ihren Gast wohl zur Tür, denn für eine Weile blieb es still. Kate überlegte schon, in ihr Zimmer zurückzukehren, als doch noch eine weitere Unterhaltung begann.
»Der Kerl ist ein Idiot!«
Das war Gustav.
»Sage die Sache ab. Egal, ob Attenburg damit einverstanden ist. In letzter Zeit verstehe ich dich nicht. Der Fall mit Kate. Was hast du dir nur gedacht, meine Dosierungsempfehlung zu missachten?«
Ein Geräusch, als klirrten Gläser aneinander.
»Rege dich ab, Gustav. Sei nicht beleidigt, weil er dich als Marionette bezeichnet hat. Komm, trink einen Schluck.«
Offensichtlich ging Gustav auf den Vorschlag ein, denn für einige Atemzüge blieb es ruhig.
»Bruce kennt deinen Wert«, besänftigte ihn Madame. »Nun, da ich keine kranke Elise mehr benötige, lassen wir dein Hündchen in Ruhe, versprochen. Ich versteh nicht, worüber du dich immer noch so aufregst.«
»Beinahe umgebracht hast du sie! Als käme dir das ganz gelegen. Unabhängig davon bin ich gegen den Plan. Du machst einen großen Fehler, diesen Rufus ins Haus zu holen.«
Madame lachte.
»Der Kretin macht, was ich ihm sage. Ein brutaler, gieriger und erfreulich dummer Kerl, wie geschaffen für die Aufgabe. Nun hör auf zu schmollen.«
»Du würdest die Angelegenheit auch lieber abblasen«, beharrte Gustav.
Madame seufzte laut.
»Natürlich. Erkennt sie mich, gibt es keine Alternative, und ihr Tod würde meine
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