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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. G. Stoll
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gesprächig.
    Die Leiter war bereits heruntergelassen. Sie kletterte empor, legte das Laken zusammengefaltet auf den Boden und schlüpfte in ihre Schuhe. Endlich. Die alten Druckstellen bluteten schon wieder.
    Justin beobachtete sie aus zusammengekniffenen Augen, als ginge ihm alles nicht schnell genug.
    »Ist was?«, fragte sie ihn. »Du wirkst so unruhig.«
    Er schob den Hut hoch und blickte sie an, als verstünde er die Frage nicht. Schließlich schüttelte er den Kopf.
    »Nö. Nur. Der Jahrmarkt. Gibt Freibier am Anfang«, setzte er hinzu, als erkläre das alles.
    Bier.
Darauf verspürte Kate keine Lust. Nach den letzten Erfahrungen verzichtete sie auf Alkohol. Dennoch nickte sie und beeilte sich. Fast stolperte sie über einen Haufen Silberware. Leuchter, Trinkpokale, Bilderrahmen und Besteck wirkten achtlos aufeinander gekippt. Warum nur ging man nicht sorgfältiger mit den wertvollen Sachen um? Justin zu fragen, traute sie sich nicht. So abweisend, wie er sich verhielt, wollte sie ihn nicht unnötig verärgern und dazu bloßstellen, wie wenig sie über die Welt wusste.
    Rasch führte er sie durch mehrere angrenzende Lagerräume. Vorbei an aufgestapelten Kisten, leeren Flaschen und mit Lumpen und Papier gefüllten Säcken, bei denen der Inhalt aus zahlreichen Rissen herausquoll. Trotz der spärlichen Beleuchtung erkannte Kate einen Berg verbeulter Kupferbleche inmitten all des Plunders.
    Sie machte den Mund auf, um Justin nun doch zu befragen, als er eine weitere Tür öffnete. Das einfallende Licht lenkte sie ab. Voller Vorfreude auf den Jahrmarkt eilte sie ins Freie.
    Sie stutzte. Ein verkommener Hinterhof, fast unpassierbar durch Schutt und Müll.
    Justin packte sie und zog sie wortlos in eine enge Gasse. Eis schimmerte auf den mit Moos überzogenen, halbverfallenen Hauswänden, die kaum mehr als einen Meter voneinander entfernt sein mochten.
    Sie folgte Justin vorsichtig, bemüht nicht auszurutschen oder die Mauern zu streifen. Bald drangen Fetzen von Musik und Geschrei bis zu ihnen.
    »Sind da«, erklärte Justin überflüssigerweise.
    Kate starrte auf die Kulisse vor ihr. Winterlich eingepackte Menschen drängelten sich um Verkaufsstände und wirkten in bester Festtagslaune. Stelzenläufer in exotischen Kostümen kämpften sich mit Riesenschritten durch die Menge. Doch nichts ließ ihr das Herz so aufgehen wie die Drehorgelmusik. Dort hinten leuchtete auch die versprochene Schiffsschaukel in strahlendem Rot! Gleich zwei Schaukeln schwangen nebeneinander bis in den Himmel, beladen mit Fahrgästen, die laut kreischend ihr Vergnügen kundtaten. Kate umklammerte in ihrer Schürzentasche das Geldstück, das ihr der Boss der jungen Männer geschenkt hatte.
    »Wo treffen wir Simon und Charlie?«, fragte sie, denn Simon hatte ihr doch eine Fahrt versprochen.
    Justin zuckte die Schultern.
    »Die laufen hier irgendwo herum. Wenn du genug von allem hast, findest du mich beim Bierstand. Kannst jeden fragen, wo der ist.«
    Damit ließ er sie stehen und verschwand in der Menge.
    Kate überlegte, ihm nachzulaufen, entschied sich aber dagegen. So, wie er sich benahm, gab er sich nicht gern mit ihr ab. Schade. Deshalb diesen Tag nicht zu genießen, wäre dumm, und früher oder später traf sie sicher auf die anderen.
    Begierig, nichts zu übersehen, bahnte sie sich einen Weg durch das Getümmel und begutachtete die Verkaufsbuden. Von etlichen der dort angebotenen Köstlichkeiten kannte sie nicht einmal die Namen, wobei die Gerüche Ungewohntes versprachen. Weiter hinten gab es einen Stand mit Apparaturen. Angeblich vollbrachten diese eigenartig aussehenden Metallkonstruktionen wahre Wunder, regten den nachlassenden Haarwuchs an und ließen Sommersprossen, Falten und Altersflecke verschwinden. Kate hörte förmlich Gustav schimpfen, dies sei nichts als Mummenschanz. Dennoch verfolgte sie die Anpreisungen des Händlers und amüsierte sich über seine tollkühnen Behauptungen. Ein Stückchen weiter fand sie kunstvoll geschnitzte Miniaturen aus Walrosszahn. Dann stand sie vor einer Bude mit Tüchern in allen Regenbogenfarben. Ein blaues stach ihr besonders ins Auge. Zweimal kehrte sie zurück, um es zu bewundern. Schließlich bot die Verkäuferin es zu einem Preis an, der günstig klang. Fast wurde Kate schwach, doch die Schiffsschaukel reizte sie noch mehr, und so stellte sie sich in der Schlange der Wartenden an. Der junge Bursche, bei dem sie die Fahrt bezahlte, schnalzte, als er die Münze sah.
    »Ganz schön fleißig

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