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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. G. Stoll
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Schultern zu legen, als sie Kate sah. Erschreckt schrie sie auf.
    »Aber Mylady, wenn die Hausdame Sie hier sieht!«, stammelte sie. »Sie gehören nicht hierher.«
    Kate hob beschwichtigend die Hände.
    »Schon gut. Ich bin gleich wieder verschwunden.«
    Das Lächeln erstarb ihr auf den Lippen. Erschüttert blickte sie sich um. Der Raum war zwar größer als ihr Schlafzimmer in Madames Haus, doch teilten ihn sich vier Bewohnerinnen. Zwei Betten standen auf jeder Seite, daneben jeweils ein kleines Schränkchen, in dem die Frauen ihre Habseligkeiten verstaut hielten. Die winzige Dachluke trug wenig zur Beleuchtung bei, aber auch so blieb die klaustrophobische Enge nicht verborgen. Die Innenwände kannten weder Farbe noch Tapeten, bestanden nur aus nachlässig verputzten Abtrennungen aus Holz. Die Frauen schliefen unter nackten Dachziegeln, in deren Lücken und Ritzen Lumpen und Papier gestopft waren, um die Zugluft zu bekämpfen. Offenkundig gab es keinen Kamin und der Kälte nach fehlte ebenso ein Wärmeschachtzugang. Im Winter mussten die Bewohnerinnen demnach fast in ihren Betten erfrieren. Wie mochte es ihnen erst im Sommer ergehen? Wenn stickige, rußige Luft einem den Atem abschnürte und die heiße Sonne auf den Ziegeln den Raum in eine Gluthölle verwandelte? An Schlaf dürfte kaum zu denken sein. Kate schluckte gegen den Kloß im Hals an und setzte sich auf den einzigen Stuhl.
    Unvorstellbar, dass ihre Eltern die Angestellten unter derartig erbärmlichen Bedingungen hausen ließen!
    Gerade heute waren Stoffmuster für neue Übergardinen gebracht worden, aus denen ihre Mutter die ihr genehmen aussuchen wollte. Wie so häufig hatte sie darüber geredet, wie sehr sie ein vorbildlich geführtes Haus schätze.
    Kate knetete die Stelle zwischen den Augen und stöhnte.
    »Ich wette, meine Mutter war nie in ihrem Leben hier oben. Was für ein armseliges Loch«, entfuhr ihr.
    Maria hielt die Hand vor den Mund.
    »Das dürft Ihr nicht sagen«, rief sie aus und lief rot an. »Wenn die Herrschaften erfahren, dass Ihr mich aufgesucht habt, bekomme ich gewaltigen Ärger.«
    In ihrer Aufregung wagte sie sogar, Kate am Ärmel zu zupfen.
    »Bitte! Uns geht es gut. Mrs. Harris hat mir eine zusätzliche Wolldecke zugestanden und seht, das Küchenmädchen hat mir Hühnersuppe gebracht.«
    Sie zeigte auf eine kleine Suppenterrine, die auf ihrem Schränkchen stand. Dampf kräuselte sich in die Höhe.
    »Ein warmer Raum wäre sicher besser«, stellte Kate trocken fest.
    »Uns geht es gut«, beharrte Maria ein weiteres Mal und dem Klang nach meinte sie es auch.
    Sie senkte den Blick zu Boden.
    »Ich habe von Mädchen gehört, die Ängste ausstehen, dass sie nachts von ihren Herrschaften belästigt werden. Uns tut niemand etwas«, murmelte sie. »Bei denen huschen Ratten durch die Zimmer, oder sie schlafen in klammen Betten, dass ihnen bei Frost die Decken an der Nase anfrieren.«
    Ein Hustenanfall unterbrach sie.
    »Sie sollten nun gehen«, bat sie, sobald sie sich beruhigt hatte, und blickte Kate flehend an.
    Sie fürchtete sich offensichtlich, mit Kate gesehen zu werden, und weigerte sich auch, das Buch zu nehmen.
    »Was würden die anderen von mir denken, wenn ich besser behandelt werde als sie? Ich bin nur eine Zofe und muss mich meiner Stellung entsprechend einordnen.«
    Kate verstand. Die Hierarchie musste um jeden Preis eingehalten werden. Das galt für die Angestellten wie für die Herren. Alles andere bedeutete Chaos und Untergang. Das hörte sie beinahe täglich, egal ob von Elise, ihren Eltern oder einem der Lehrer. Jetzt war es an ihr, beschämt den Kopf zu senken. Sie verabschiedete sich von dem Gedanken, Maria wenigstens weitere warme Decken zu bringen.
    »Gut, ich verschwinden und halte den Mund. Das verspreche ich. Niemand wird erfahren, dass ich hier war.«
    Maria nickte schweigend.
    Diesmal horchte Kate erst, ob die Treppe frei war, und huschte dann hinunter, zurück in die gepflegte Welt der Standforts. Geblendet von der Flurbeleuchtung empfand sie den Temperaturunterschied fast als Schock.
    Sie suchte ihr Zimmer auf und ließ sich in den Lehnstuhl fallen. Dieser prächtige Raum, bewohnt von einer einzigen Person! Ihr. Im Kamin prasselte ein Feuer und wurde es ihr dennoch kalt, öffnete sie zusätzlich den Wärmeschacht.
    Wie unverständlich, weshalb nur wenige Stockwerke höher Menschen unter ganz anderen Zuständen hausten. Sie kaute auf der Unterlippe und überlegte. Auch wenn sie Maria ihr Versprechen gegeben

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