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Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition)

Titel: Tollkirsche und Korsett: Kates Hunger nach Freiheit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. G. Stoll
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Unfug gepredigt?«
    Kate zuckte zusammen. Seine Stimme klang, als koste es ihn einiges, sie nicht noch heftiger anzufahren. Sie verstand nicht, womit sie ihn zornig gemacht hatte, und warum er von ihrer Ursprungsfrage abwich.
    »Nein, Vater. Gustav hat mich nie in Politik unterrichtet. Nicht einmal die Zeitung durfte ich lesen«, versuchte sie, ihn zu beruhigen.
    Stattdessen erreichte sie das Gegenteil.
    »Nun, wie mir deine Mutter berichtet hat, holst du dies nun ausführlich nach. Ich halte das für keine sinnvolle Beschäftigung für ein Mädchen«, stellte er fest. »Frauengehirne sind ungeeignet, anspruchsvolle Texte richtig zu interpretieren. Außerdem musst du sehr viel aufholen, was eine junge Dame unseres Standes zu wissen hat.«
    Empört öffnete Kate den Mund, kam jedoch nicht zu einer Erwiderung.
    »Ich weiß zu gut, worauf du anspielst. Diese Artikel über die soziale Ungerechtigkeit in unserem Land und die Versprechen einzelner Politiker, das abzustellen. Alles Lügner. Sie nutzen die Unwissenheit der ungebildeten Massen aus und zerstören eine Grundordnung, ohne ein funktionsfähiges alternatives System anbieten zu können. Gäbe es uns nicht, hätten die Bediensteten keine Arbeit, kein Dach über den Kopf und müssten verhungern.«
    Die letzten Worte brüllte er beinahe. Kates linkes Augenlid zuckte nervös. Sie fuhr mit der Hand darüber.
    Ihr Vater atmete schwer. Langsam beruhigte er sich und schien über sich selbst erschrocken, denn ruhiger setzte er hinzu: »Vielleicht hat Gustav dich nicht indoktriniert, doch fürchte ich, er hat dich eher wie einen jungen Burschen erzogen und nicht wie ein Mädchen. Versuche, ein wenig mehr wie Elise zu denken, das ist natürlicher.«
    Der letzte Satz, so freundlich er ausgesprochen wurde, traf trotzdem wie ein Schlag. Kate biss sich auf die Unterlippe.
    »Das kann ich nicht, Vater«, würgte sie hervor und rannte aus dem Raum. Vor der Tür blieb sie stehen, lehnte sich gegen die Wand. Sie fühlte sich so unbeschreiblich unglücklich, unverstanden und hilflos.
    Von allen Bediensteten kam ausgerechnet Mrs. Harris den Flur entlang. Die Hausdame verharrte, verzog den Mund und fragte: »Benötigen Mylady Hilfe?«
    Kate drückte den Rücken durch, bemüht, sich keine Blöße zu geben. Dennoch reichte es nur zu einem Kopfschütteln.
    Sie flüchtete sich in die Orangerie, die auf der Südostseite des Hauses angebaut war. Dort verkroch sie sich in eine Ecke und beobachtete, wie die Papageien sich mit ihren Schnäbeln und Krallen durch den mehr als mannshohen Käfig hangelten. Ihr lautes Kreischen ließ sie sich fast wie im Dschungel vorkommen.
    Träumten die Tiere wohl noch davon, frei zu sein? Fliegen zu können, wohin immer sie wollten?
    Unvermittelt brach sie in Tränen aus. Zum Glück befand sich niemand im Raum, der Zeuge ihres Zusammenbruchs wurde. Nur langsam verschwanden das Zittern und die ungeheure Wut, die sie wie ein Gewittersturm heimgesucht hatte. Dieser Ort gefiel ihr am besten vom ganzen Anwesen, denn hier fühlte sie sich willkommen. Obwohl die Zitronen- und Orangenbäume einige Blätter an den Winter verloren hatten, erschuf der verbliebene Rest die Illusion einer anderen, exotischen Welt. Der fruchtige Duft tat sein Übriges. Sie schloss die Augen, genoss die Wärme und träumte sich fort, dachte daran, wie sie im Flugschiff gesessen hatte. So nah der Freiheit. Beinahe döste sie ein, da durchzuckte sie ein Gedanke, der sie frösteln ließ. Würde sie wieder so handeln und Elise retten?
    Ihre Zwillingsschwester blieb ihr fremd, doch bei all ihrer Oberflächlichkeit war sie kein böser Mensch, nicht wie Madame. An anderen Tagen hätte Kate die Frage ohne zu zögern bejaht, heute jedoch haderte sie mit der Entscheidung. Und schämte sich dafür.

26. Rückkehr in Madames Haus
    Das Gespräch mit ihrem Vater hatte Kate endgültig verdeutlicht, wie wenig sie zu den Standforts passte.
    Sie blieb eine Fremde. Niemand verstand, wonach sie sich sehnte. Alle sahen in ihr ein Opfer Madames, das sich jetzt schleunigst an die neue Lebenssituation anpassen musste, werden sollte wie Elise. Deren Lebensziel wiederum bestand darin, eine möglichst genaue Kopie ihrer Mutter zu werden. Eine Vorstellung, die Kate gruselte.
    Was wurde aus ihrem Traum, die Welt zu bereisen und Abenteuer zu erleben? Einen Beruf auszuüben, mit dem sie ihren Unterhalt verdienen und sich von anderen unabhängig machen konnte?
    Stattdessen sollte sie sich auf die Leitung eines adeligen

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