Tolstoi, A. K.
Plogojovitz; 1725). Was wir wissen, ist, dass die Vampire respektive die Wurdalaks von Tolstoï ähnlich vorgehen wie Plogojovitz.
Die Wurdalaks , meine Damen, saugen vorzugsweise das Blut ihrer nächsten Familienmitglieder und das ihrer engsten Freunde, die sobald tot, selbst Vampire werden, und so, sagt man, wurden in Bosnien und Ungarn ganze Dörfer zu Wurdalaks verwandelt. (2012: 16)
Die Parallele zwischen der „Familie des Wurdalak“ und Plogojovitzs Fall ist offensichtlich. Als die Dorfbewohner in Kisolova den Vampir exhumieren wollten, wäre Frombald normal verfahren, sodass er zuerst selbst um Erlaubnis hätte bitten müssen, doch die Bewohner haben ihm nur eine kurze Erklärung geben können, wieso das nicht ginge. Gemäß Frombalds Schreiben hieß es:
Ich möchte thun was ich wollte, allein, wofern ich ihnen nicht verstatten würde, auf vorherige Besichtigung und rechtliche Erkandtnus mit dem Cörper nach ihren Gebrauch zu verfahren, müsten sie Hauß und Gut verlassen, weil biß zu Erhaltung einer gnädigsten Resolution von Belgrad wohl das gantze Dorff (wie schon unter türckischen Zeiten geschehen seyn sollte) durch solchen üblen Geist zugrunde gehen könte, welches sie nicht erwarten wollten. (Wiener Zeitung 1725)
Die Bewohner hatten also eindeutig Angst, dass sie alle das gleiche Schicksal erleiden würden, wie das der neun Verstorbenen.
Der Zusammenhang zwischen dem Vorfall in Kisolova und der „Familie des Wurdalak“ bleibt aber dennoch reine Vermutung. Weil aber Plogojovitz in ganz Europa bekannt war, können wir uns leicht vorstellen, dass Tolstoï auch von dieser Geschichte hörte.
Wir verlassen nun den Bereich der historischen Einflüsse, um auf die literarischen einzugehen. Wie schon erwähnt, müsste man hier Calmets Werk als Erstes aufzählen, doch da es sich dabei um ein eher wissenschaftliches Werk handelt, werde ich nicht weiter darauf eingehen.
Das erste erwähnenswerte literarische Werk, das wohl einen Einfluss auf Tolstoï ausgeübt hat, ist Goethes „Die Braut von Corinth“. Obwohl es sich hierbei um eine Ballade handelt und sich die Handlung vom „Wurdalak“ unterscheidet, so erinnert sie einen doch an die Liebesgeschichte zwischen dem Marquis d‘Urfé und Sdenka. Es ist nicht möglich Goethes Zeilen zu lesen, ohne an d‘Urfés Avancen zu Sdenka zu denken.
Die Liebesszene fängt damit an, dass sich der junge Protagonist „[…] angekleidet sich auf’s Bette legt; / Und er schlummert fast, / Als ein seltner Gast / Sich zur offnen Thür herein bewegt.“ (Goethe 2006: 106), ähnlich wie im „Wurdalak“ wird hier der Schlaf als Übergangsphase zum Unheimlichen gebraucht (2012: 26-7). Das Mädchen selbst wird anfangs als „sittsam still“ (Goethe 2006: 106) beschrieben, und erschrickt, als sie den Jüngling erblickt. Hier haben wir wieder die Parallele zum Marquis und Sdenka, als er in ihr Zimmer tritt und sie, ein wohlerzogenes Mädchen, sich dagegen sträubt, alleine mit einem Mann auf ihrem Zimmer zu sein (2012: 35). Goethes Jüngling beschwört das Mädchen zu bleiben, denn, so sagt er „du bringst den Amor“ (2006: 107).
Also wie in Tolstoï gesteht der junge Herr seine Liebe und kann das Mädchen nicht ohne Weiteres gehen lassen. Der größte Unterschied zu Tolstoï ist, dass in Goethes Ballade das Mädchen schon zu Anfang der Geschichte verdammt ist. Der Marquis verspricht Sdenka alles, was er ist: „Sdenka, ich liebe Euch mehr als meine Seele, als mein Heil … mein Leben und mein Blut gehören Euch … […]“ (2012: 35). Diese Worte sind am Ende Urfés Beinah-Untergang. In der „Braut von Corinth“, aber, obwohl es dem Jüngling nicht bewusst ist, was er mit seinem Liebesschwur anstellt, weiß die junge Frau doch, was auf ihn zukommen wird und versucht ihn trotzdem noch zu warnen, nicht nur, indem sie ihm sagt, dass er sie nicht haben kann, sondern auch, dass sie schon tot ist: „Ferne bleib’, o Jüngling! bleibe stehen; / Ich gehöre nicht den Freuden an. Schon der letzte Schritt ist ach! geschehen, […]“ und weiter „Mich erhältst du nicht, du gute Seele! [… ich] Die sich liebend kränkt; / In die Erde bald verbirgt sie sich“ (Goethe 2006: 107-8). Doch der Jüngling will nichts davon hören und schwört ihr seine Liebe, ähnlich wie in Tolstoïs Werk gibt er ihr durch sein Versprechen alles. Der Marquis d‘Urfé verspricht Sdenka seine Seele, sein Leben und sein Blut, Goethe gestaltet die Szene jedoch ein wenig subtiler: „Feire
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