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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Sie kannten sich nicht. Darin sah Tom die entsetzliche Wahrheit, sie galt für alle Zeiten, für alle Menschen, die er früher gekannt hatte, für alle Menschen, die er künftig noch träfe: jeder hat vor ihm gestanden, wird vor ihm stehen, und er wird immer und immer wieder wissen, daß er sie niemals kennt, und das schlimmste ist, daß er immer eine Zeitlang die Illusion haben wird, er kennte sie, er und sie seien völlig im Einklang miteinander und eins. Einen Augenblick lang schien der wortlose Schock seiner Erkenntnis mehr, als er ertragen konnte. Es war, als schnürte ihm ein würgender Griff die Luft ab, als müsse er gleich zu Boden sinken. Es war zuviel: all das Fremdländische um ihn herum, die andere Sprache, sein Versagen und dazu noch Dickies Haß. Er fühlte sich eingekreist von Fremdheit und Feindseligkeit. Dickie riß ihm die Hände von den Augen.
    »Was hast du?« fragte Dickie. »Hat dir dieser Bursche irgendwelches Zeug verpaßt?«
    »Nein.«
    »Bist du sicher? In deinem Drink?«
    »Nein.« Die ersten Tropfen des Abendregens klatschten ihm auf den Kopf. Ein Donnergrollen folgte. Auch von oben noch Feindseligkeit. »Ich will sterben«, flüsterte Tom.
    Dickie packte seinen Arm. Tom stolperte über eine Schwelle. Sie standen in der kleinen Bar gegenüber der Post. Tom hörte, wie Dickie einen Schnaps bestellte, einen italienischen ausdrücklich, französischer Cognac war wohl für ihn zu schade, dachte Tom. Tom trank ihn aus, er schmeckte süßlich, medizinisch, er trank drei davon, er trank sie wie eine Zaubermedizin, die ihn in das zurückversetzen konnte, was ihm normalerweise als die Wirklichkeit erschienen war: der Geruch der Nazionale in Dickies Hand, die verflochtenen Windungen der Holzmaserung unter seinen Fingern, sein Magen, auf dem ein harter Druck lag, als preßte eine Faust gegen seinen Nabel, die lebendige Vorstellung von dem langen, steilen Weg zum Hause hinauf, von dem leisen Schmerz, der sich dann in seinen Waden bemerkbar machte.
    »Es ist vorbei«, sagte Tom mit ruhiger, tiefer Stimme. »Ich weiß wirklich nicht, was mit mir los war. War wohl die Hitze, die mich für einen Moment fertiggemacht hat.« Er lachte ein bißchen. Das war die Wirklichkeit, man mußte es weglachen, es lächerlich machen - eine Sache, die wichtiger war als alles, was er in den fünf Wochen mit Dickie erlebt hatte, vielleicht wichtiger als alles, was er überhaupt je erlebt hatte.
    Dickie sagte nichts, steckte nur die Zigarette zwischen die Lippen, zog ein paar Hundertlirescheine aus seiner schwarzen, krokodilledernen Brieftasche, legte sie auf die Theke. Es verletzte Tom, daß er nichts sagte, es verletzte ihn wie ein Kind, ein krankes Kind, das sicherlich für seine Umgebung eine Plage ist, das aber wenigstens ein freundliches Wort erwartet, wenn die Krankheit vorüber ist. Aber Dickie zeigte sich völlig teilnahmslos. Dickie bezahlte ihm genauso kaltlächelnd seine Schnäpse, wie er sie einem völlig Fremden hätte bezahlen können, den er traf, dem schlecht war und der kein Geld hatte. Plötzlich schoß es Tom durch den Kopf, Dickie möchte nicht, daß ich nach Cortina mitfahre. Nicht zum erstenmal kam Tom dieser Gedanke. Marge fuhr jetzt nach Cortina mit. Sie und Dickie hatten in Neapel eine neue, riesige Thermosflasche für Cortina gekauft. Sie hatten ihn nicht gefragt, ob ihm die Thermosflasche gefiele, überhaupt nichts hatten sie ihn gefragt. Sie schlossen ihn einfach stillschweigend aus bei ihren Vorbereitungen. Dickie erwartete von ihm, Tom spürte es, daß er kurz vor der Cortinafahrt verschwand. Vor ein paar Wochen hatte Dickie gesagt, er wollte ihm bei Gelegenheit mal einige der Skiabfahrten rund um Cortina zeigen, er hätte eine Karte, auf der sie aufgezeichnet wären. Eines Abends hatte Dickie sich die Karte angesehen, aber gesagt hatte er nichts.
    »Bist du soweit?« fragte Dickie.
    Tom folgte ihm zur Tür hinaus wie ein Hund.
    »Wenn du meinst, du könntest es allein schaffen bis nach Haus, dann würde ich schnell mal ´rauflaufen zu Marge für ein Weilchen«, sagte Dickie auf der Straße.
    »Ich fühle mich ganz wohl«, sagte Tom.
    »Gut.« Im Weggehen warf er noch über die Schulter zurück: »Willst du nicht vorbeigehen und die Post abholen? Könnte sein, daß ich es vergesse.«
    Tom nickte. Er ging ins Postamt. Es waren zwei Briefe da, einer an ihn von Dickies Vater, einer an Dickie von irgendwem in New York, Tom kannte den Namen nicht. Er blieb in der Tür stehen, öffnete den Umschlag

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