Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
»Miramare« hatte er gesprochen, er hatte ihm gesagt, daß Signor Greenleaf möglicherweise sein Haus nebst Einrichtung zu verkaufen wünsche, ob Signor Pucci das wohl in die Hand nehmen könnte? Das wollte er sehr gern tun, hatte Signor Pucci gesagt. Tom hatte auch mit Pietro, dem Hafenmeister, gesprochen und ihn gebeten, nach einem Käufer für die »Pipistrello« Ausschau zu halten, weil die begründete Aussicht bestünde, daß Signor Greenleaf sie noch in diesem Winter abstoßen wollte. Tom sagte, Signor Greenleaf gäbe sie für fünfhunderttausend Lire her, knapp achthundert Dollar, es war fast geschenkt, so ein Boot, zwei Personen konnten darauf wohnen, Pietro meinte, es wäre nur eine Frage von Wochen, es an den Mann zu bringen.
Im Zug nach Rom entwarf Tom den Brief an Marge, er machte es so sorgfältig, daß er ihn von Anfang bis Ende auswendig wußte, und als er im Hotel »Haßler« ankam, setzte er sich sofort an Dickies Reiseschreibmaschine, die er in einem von Dickies Koffern mitgebracht hatte, und tippte den Brief geradenwegs herunter.
Rom, den 28. 11.
»Liebe Marge,
ich habe mich dazu entschlossen, für den Winter in Rom eine Wohnung zu mieten, nur um einmal die Tapete zu wechseln und dem alten Mongi für ein Weilchen zu entfliehen. Ich habe das dringende Bedürfnis, einmal allein zu sein. Es tut mir leid, daß das alles so plötzlich kam und daß ich nicht die Möglichkeit hatte, mich von Dir zu verabschieden, aber ich bin ja schließlich nicht aus der Welt und hoffe, Dich ab und zu besuchen zu können. Ich hatte einfach keine Lust, hinzufahren und meinen Kram zusammenzupacken, deshalb habe ich Tom diese Last aufgebürdet.
Was uns beide betrifft, kann es nichts schaden, ja vielleicht sogar alles bessern, wenn wir uns für eine gewisse Zeit nicht sehen. Ich hatte sehr stark das Gefühl, daß ich Dich langweilte, obwohl Du mich nicht gelangweilt hast, und bitte denke nicht, daß ich vor irgend etwas davonlaufe. Im Gegenteil - Rom dürfte mich den Realitäten näherbringen. Mongi jedenfalls konnte das nicht. Zum Teil hing meine Unrast auch mit Dir zusammen. Damit, daß ich gehe, ist nichts gelöst, gewiß nicht, aber es wird mir helfen, Klarheit über meine wahren Gefühle für Dich zu gewinnen. Deshalb möchte ich Dich lieber eine Zeitlang nicht sehen, Liebling, und ich hoffe, Du wirst das verstehen. Wenn nicht - nun, dann eben nicht, das ist das Risiko, das ich eingehe. Vielleicht fahre ich für ein paar Wochen nach Paris mit Tom, der ganz wild darauf ist. Das heißt, wenn ich nicht sofort zu malen anfange. Habe einen Maler namens di Massimo kennengelernt, seine Arbeiten gefallen mir sehr, ein netter alter Junge mit wenig Geld, er scheint sehr froh darüber, mich als Schüler zu bekommen, wenn ich ihm ein bißchen was bezahle. Ich werde mit ihm in seinem Atelier malen.
Die Stadt ist herrlich mit ihren Brunnen, die die ganze Nacht über rauschen, alles ist nachts auf den Beinen, anders als im alten Mongi. Du warst auf der falschen Fährte mit Tom. Er wird bald in die Staaten zurückfahren, mir ist ganz egal, wann, wenn er auch wirklich kein schlechter Kerl ist, ich habe nichts gegen ihn. Er hat jedenfalls nichts mit uns beiden zu tun, und ich hoffe, Du weißt es.
Bitte schreib mir per Adresse American Expreß, Rom, bis ich weiß, wo ich bleibe. Wenn ich eine Wohnung gefunden habe, lasse ich es Dich wissen. Halte inzwischen den heimischen Herd warm, den Kühlschrank kalt und Deine Schreibmaschine in Gang. Es tut mir schrecklich leid wegen Weihnachten, Liebling, aber ich glaube, so bald sollten wir uns noch nicht wiedersehen. Und Du kannst mich deswegen hassen oder auch nicht.
In Liebe Dein Dickie«
Seitdem er das Hotel betreten hatte, trug Tom die Mütze, und er hatte am Empfang Dickies Paß abgegeben, nicht seinen, allerdings guckte man in Hotels, wie er festgestellt hatte, nie nach dem Paßbild, sondern schrieb nur die Paßnummer auf, die vorn auf dem Umschlag stand. In der Liste hatte er mit Dickies flüchtigem und ziemlich flammendem Namenszug unterzeichnet, in dem sich die Großbuchstaben R und G riesenhaft bauschten. Als er hinausging, um den Brief aufzugeben, kaufte er in einem Warenhaus ein paar Straßen weiter verschiedene Schminkutensilien, die er vielleicht brauchen würde. Er hatte seinen Spaß mit der italienischen Verkäuferin, er ließ sie in dem Glauben, daß er die Sachen für seine Frau kaufte, die ihr Make-up-Etui verloren hätte und die mit der üblichen Magenverstimmung
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