Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
erwiderte Tom. »Ich feiere einen bestimmten Jahrestag.«
Der Amerikaner nickte etwas verständnislos, und Tom konnte sehen, wie er sich quälte, um irgendeine intelligente Antwort zu finden, es war ihm unbehaglich zumute wie jedem amerikanischen Kleinstädter angesichts kosmopolitischer Gelassenheit und Überlegenheit, angesichts von Geld und guter Kleidung, gleich ob in dieser Kleidung ein amerikanischer Mitbürger steckte.
»Sagten Sie nicht, daß Sie in Rom wohnen?« fragte die Frau. »An Ihren Namen können wir uns, glaube ich, nicht mehr genau erinnern, wissen Sie, aber an Sie erinnern wir uns von Weihnachten her noch sehr gut.«
»Greenleaf«, sagte Tom. »Dickie Greenleaf.«
»Ach, stimmt ja!« sagte sie erleichtert. »Haben Sie eine Wohnung hier?«
Sie war ganz Ohr, um sich auch ja seine Adresse ins Gedächtnis zu graben. »Im Augenblick wohne ich im Hotel, aber ich gedenke in den nächsten Tagen in ein Appartement umzuziehen, sobald die Tapezierer fertig sind. Ich bin im ›Elisio‹. Rufen Sie mich doch einmal an.«
»Aber gern. In drei Tagen fahren wir weiter nach Mallorca, aber bis dahin ist ja noch viel Zeit!«
»Freue mich, Sie zu sehen«, sagte Tom. »Buona sera!« Wieder allein, kehrte Tom zu seinen stillen Träumereien zurück. Er sollte ein Bankkonto für Tom Ripley einrichten, dachte er, und ab und zu hundert Dollar oder so einzahlen. Dickie Greenleaf hatte zwei Bankkonten, eins in Neapel und eins in New York, auf jedem lagen ungefähr fünftausend Dollar. Das Ripleykonto konnte er mit zweitausend eröffnen und dann die hundertfünfzigtausend Lire aus den Mongibellomöbeln dazutun. Schließlich hatte er ja für zwei Menschen zu sorgen.
15
Er besichtigte das Capitol und die Villa Borghese, erkundete gründlich das Forum und nahm sechs Italienischstunden bei einem alten Mann in der Nachbarschaft, den ein Schild im Fenster als Sprachlehrer auswies und dem er einen falschen Namen angab. Nach der sechsten Stunde hatte Tom den Eindruck, sein Italienisch wäre nun den Italienischkenntnissen Dickies ebenbürtig. Wörtlich hatte er hier und da einen Satz von Dickie behalten, der, wie er jetzt wußte, fehlerhaft gewesen war. Zum Beispiel der Satz »Ho paura che non c´e arrivata, Giorgio«, als sie eines Abends auf Marge gewartet hatten und Marge zu spät kam. Es hätte »sia arrivata« heißen müssen, im Konjunktiv nach einem Ausdruck der Befürchtung. Dickie hatte den Konjunktiv viel seltener angewandt, als er im Italienischen anzuwenden war. Bewußt verzichtete Tom darauf, den richtigen Gebrauch des Konjunktivs zu lernen.
Tom kaufte dunkelroten Samt für die Vorhänge in seinem Wohnzimmer, denn die Vorhänge, die er mit der Wohnung gemietet hatte, fand er greulich. Er fragte Signora Buffi, die Frau des Hausverwalters, ob sie nicht eine Näherin wüßte, die ihm die Vorhänge machen könnte, und Signora Buffi bot sich selber dafür an. Sie machte es zum Preise von zweitausend Lire, kaum mehr als drei Dollar. Tom zwang ihr fünftausend auf. Er kaufte einige Kleinigkeiten zur Verschönerung seines Heims, obwohl er nie einen Menschen zu sich bat - mit Ausnahme eines hübschen, aber nicht besonders aufgeweckten jungen Mannes, eines Amerikaners, den er im Café »Greco« kennengelernt hatte. Der junge Mann hatte sich mit der Frage an ihn gewandt, wie er vom »Greco« aus zum Hotel »Excelsior« komme; Toms Wohnung lag am Wege, also lud Tom den jungen Mann zu einem Drink ein. Tom hatte nichts weiter dabei im Sinn gehabt, als eine Stunde lang Eindruck zu schinden und dann adieu zu sagen, adieu für immer, und das hatte er dann auch getan, nachdem er dem jungen Manne seinen besten Cognac serviert und, in der Wohnung umherspazierend, ihm einen Vortrag über die Vorzüge des Lebens in Rom gehalten hatte. Der junge Mann wollte Rom am folgenden Tage in Richtung München verlassen.
Behutsam wich Tom den in Rom lebenden Amerikanern aus, möglicherweise erwarteten sie von ihm, daß er auf ihren Parties erschien und sie dafür zu den seinen einlud, aber er unterhielt sich sehr gern mit Amerikanern und Italienern im Café »Greco« und in den Studentenlokalen auf der Via Margutta. Seinen Namen verriet er nur einem italienischen Maler namens Carlino, den er in einer Taverne der Via Margutta kennenlernte; er erzählte ihm auch, daß er male und daß er bei einem Maler namens di Massimo in die Lehre gehe. Sollte jemals die Polizei Nachforschungen anstellen über das Treiben Dickies in Rom, vielleicht lange,
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