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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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nachdem Dickie verschwunden und wieder zu Tom Ripley geworden war - dieser eine italienische Maler, darauf war Verlaß, würde aussagen, er wisse, daß Dickie Greenleaf im Januar in Rom gemalt habe. Carlino hatte noch nie von di Massimo gehört, aber Tom lieferte ihm eine so lebensvolle Beschreibung des Mannes, daß Carlino ihn wahrscheinlich sein Leben lang nicht vergessen würde.
    Tom fühlte sich allein, aber nicht ein bißchen einsam. Es war ungefähr dasselbe Gefühl wie am Weihnachtsabend in Paris, das Gefühl, alle blickten auf ihn, das Gefühl, er stünde oben auf der Bühne und unten im Zuschauerraum säße die ganze Welt, ein Gefühl, das ihn anspornte, sein Bestes zu leisten, denn wenn er einen Fehler machte, dann wäre die Katastrophe da. Aber er war völlig sicher, daß er keinen Fehler machen würde. Dieses Gefühl verlieh seinem Dasein eine sonderbare, köstliche Atmosphäre der Reinheit, ungefähr die Atmosphäre, dachte Tom, die ein guter Schauspieler erweckt, wenn er in einer tragenden Rolle auf der Bühne steht und weiß, daß die Rolle, die er spielt, von keinem Menschen auf der Welt besser gespielt werden kann. Er war er und doch nicht er selber. Obwohl er ganz bewußt jede seiner Bewegungen kontrollierte, fühlte er sich schuldlos und frei. Aber er ermüdete jetzt nicht mehr, wenn er das ein paar Stunden lang gemacht hatte, so wie zu Anfang. Er brauchte sich nicht mehr zu entspannen, wenn er wieder allein war. Jetzt war er Dickie von dem Augenblick an, da er morgens aufstand und sich die Zähne putzen ging, er putzte sich die Zähne mit hochgerecktem Ellenbogen, er war Dickie, der die Eierschale um den Löffel drehte, um den letzten Bissen herauszuholen, Dickie, der unweigerlich die erste Krawatte, die er von der Stange zog, wieder hinhängte, um eine zweite zu wählen. Er hatte sogar ein Gemälde in Dickies Manier zuwege gebracht.
    Als der Januar zu Ende ging, dachte Tom, daß Fausto wohl schon durch Rom gekommen sein mußte, allerdings erwähnte der letzte Brief von Marge ihn nicht. Marge schrieb per Adresse des American Expreß ungefähr einmal wöchentlich. Sie fragte, ob er nicht vielleicht Strümpfe oder einen Wollschal brauchen könnte, weil sie doch viel Zeit zum Stricken habe, wenn sie nicht gerade an ihrem Buch arbeite. Jedesmal flocht sie ein lustiges Anekdötchen über irgendeinen Bekannten im Dorfe ein, Dickie sollte nur nicht glauben, sie säße da und weinte sich die Augen nach ihm aus, aber es sah doch ganz danach aus, und es sah auch ganz so aus, als würde sie nicht in die Staaten abreisen im Februar, ohne noch einen verzweifelten Versuch unternommen zu haben, persönlich zu ihm vorzudringen, weshalb investierte sie sonst die langen Briefe und die selbstgestrickten Strümpfe und Wollschals, dachte Tom, denn die würden kommen, ganz unausweichlich, er wußte es, obwohl er die Briefe überhaupt nicht beantwortet hatte. Ihre Briefe widerten ihn an. Es war ihm unangenehm, sie auch nur anzurühren, und wenn er sie überflogen hatte, riß er sie immer in Fetzen und warf sie in den Abfalleimer.
    Endlich schrieb er:
    »Für den Augenblick habe ich den Gedanken an eine Wohnung in Rom aufgegeben, di Massimo geht für einige Monate nach Sizilien, und vielleicht begleite ich ihn und fahre von dort aus weiter, irgendwohin. Ich habe zur Zeit nur sehr vage Vorstellungen, aber sie haben den Vorzug der Freiheit, und sie entsprechen meiner derzeitigen Stimmung.
    Bitte schick mir keine Strümpfe, Marge. Wirklich, ich brauche gar nichts. Ich wünsche Dir das Beste für Mongibello.«
    Er hatte die Fahrkarte nach Mallorca in der Tasche - mit dem Zug nach Neapel, dann das Schiff von Neapel nach Palma in der Nacht vom 31. Januar zum 1. Februar. Im »Gucci« hatte er zwei neue Koffer erstanden, das »Gucci« war das beste Geschäft für Lederwaren in ganz Rom; der eine war ein großer, samtweicher Koffer aus Antilopenhaut und der andere ein hübscher beiger Segeltuchkoffer mit braunen Lederriemen. Beide trugen Dickies Monogramm. Den schäbigsten von seinen beiden alten Koffern hatte er weggeworfen, den anderen verwahrte er bei sich im Schrank, vollgestopft mit seinen alten Sachen - für den Notfall. Allerdings rechnete Tom nicht mehr mit Notfällen. Das versenkte Boot von San Remo war nie gefunden worden. Tom sah jeden Tag die Zeitungen nach einer Meldung durch.
    Es war morgens, Tom war gerade beim Kofferpacken, da klingelte es. Er nahm an, daß es irgendein Bittsteller war oder auch bloß ein Irrtum.

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