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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Freddie gewesen sei. Unabsichtlich ruhte Toms Blick einen Augenblick auf dem schlaffen, verschmutzten Gesicht Freddies, und sofort krampfte sich sein Magen zusammen, es wurde ihm übel, schnell wandte er sich ab. Das durfte er nicht wieder machen. In seinem Kopf erhob sich ein Brausen, als müsse er gleich besinnungslos umfallen.
    Das wäre ja eine schöne Bescherung, dachte Tom, als er durch das Zimmer zum Fenster wankte, jetzt in Ohnmacht zu fallen! Mit gerunzelter Stirn blickte er hinunter auf den schwarzen Wagen dort, tief atmete er die frische Luft ein. Ich werde nicht ohnmächtig, redete er sich selber ein. Er wußte ganz genau, was er tun würde: ganz zuletzt den Pernod, für alle beide. Noch zwei Gläser mit ihren Fingerabdrücken und mit Pernod. Und die Aschenbecher müssen voll sein. Freddie rauchte Chesterfields. Dann die Via Appia. Eins von diesen dunklen Plätzchen hinter den Gräbern. Auf langen Strecken hatte die Via Appia keine Straßenbeleuchtung. Freddies Brieftasche würde fehlen. Motiv: Raub.
    Er hatte noch stundenlang Zeit, aber er ruhte nicht, bis das Zimmer fertig war, bis das Dutzend Chesterfields und das Dutzend oder so von seinen Lucky Strikes heruntergequalmt und im Aschenbecher ausgedrückt waren, bis ein Glas Pernod auf den Fliesen des Badezimmers zerschellt und nur halbwegs weggeräumt war, und das Komische an der ganzen Sache war, daß er, während er diese Szenerie so sorgfältig aufbaute, im stillen ausrechnete, wie viele Stunden Zeit er haben würde, alles wieder aufzuräumen - etwa von neun Uhr heute abend, wenn man die Leiche fand, bis Mittternacht, wenn die Polizei zu dem Schluß käme, daß man ihn einmal verhören könnte, denn irgend jemand dürfte ja gewußt haben, daß Freddie Miles die Absicht hatte, heute Dickie Greenleaf zu besuchen - und Tom wußte, daß er um acht Uhr etwa alles wieder aufräumen würde, denn nach der Geschichte, die er zu erzählen gedachte, hatte Freddie das Haus gegen sieben verlassen (wie er ja auch tatsächlich das Haus gegen sieben verlassen würde!), und Dickie Greenleaf war ein ordentlicher junger Mann, sogar wenn er einiges getrunken hatte. Aber das Entscheidende an der unordentlichen Wohnung war, daß die Unordnung einzig und allein ihm selber die Geschichte bestätigte, die er erzählen wollte und die er deshalb auch selber glauben mußte.
    Und morgen früh um halb elf würde er dann trotz allem abfahren nach Neapel und Palma, das heißt, wenn ihn nicht die Polizei aus irgendeinem Grunde daran hinderte. Wenn er morgen früh in der Zeitung las, daß die Leiche gefunden sei, und wenn die Polizei sich nicht bei ihm melden würde, dann wäre es nur recht und billig, daß er der Polizei von sich aus mitteilte, Freddie Miles sei bis zum frühen Abend bei ihm gewesen, überlegte Tom. Aber plötzlich schoß es ihm durch den Kopf, daß ein Arzt vielleicht feststellen könnte, Freddie sei schon seit Mittag tot gewesen. Und jetzt konnte er Freddie nicht hinausschaffen, nicht am hellichten Tag. Nein - seine einzige Hoffnung war, man würde die Leiche so lange nicht finden, bis kein Arzt mehr mit Bestimmtheit sagen könnte, wie lange Freddie schon tot war. Und er mußte zusehen, daß er aus dem Haus kam, ohne von einer Seele gesehen zu werden - ob es ihm nun gelänge, Freddie hinunterzutragen wie einen bewußtlosen Betrunkenen oder nicht -, und sollte er dann irgendeine Erklärung abgeben müssen, konnte er einfach sagen, Freddie wäre gegen vier oder fünf Uhr nachmittags gegangen.
    Ihm grauste so sehr vor den fünf oder sechs Stunden Warten, bis es dunkel war, daß er minutenlang glaubte, nicht warten zu können. Dieser Klumpen auf dem Fußboden! Und er hatte ihn überhaupt nicht umbringen wollen. Es wäre gar nicht nötig gewesen. Freddie und seine miesen, schmierigen Verdächtigungen. Tom zitterte, er saß ganz vorn auf der Stuhlkante und zupfte an seinen Fingern, daß die Gelenke knackten. Gern wäre er spazierengegangen, aber er hatte Angst, die Leiche hier allein liegenzulassen. Es mußte ja auch Krach sein, natürlich, Freddie und er sollten ja den ganzen Nachmittag getrunken und erzählt haben! Tom drehte das Radio an und suchte einen Sender mit Tanzmusik. Er konnte ja wenigstens was trinken. Das gehörte zum Stück. Er machte noch ein paar Martinis mit Eis im Glas. Er mochte es gar nicht, aber er trank.
    Der Gin riß ihn nur noch tiefer in die Grübeleien von vorhin. Er stand da und sah hinunter auf Freddies langen, schweren Körper in dem

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