Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley
Gesicht schleifte im Staub, er zog ihn hinter den letzten Baum und hinter das kleine Überbleibsel eines Grabmals, es war nur ein meterhoher, zerbröckelter Mauerbogen, aber sicherlich war es der Rest vom Grabmal eines Patriziers, dachte Tom, viel zu schön für dieses Schwein. Tom verfluchte Freddies unerträgliches Gewicht und gab ihm plötzlich einen Fußtritt unters Kinn. Er war müde, so müde, daß er hätte in Tränen ausbrechen können, er hatte Freddies Anblick so satt, und der Moment, da er Freddie Miles endgültig den Rücken kehren konnte, schien überhaupt nicht näher zu rücken. Und da war ja auch noch der gottverfluchte Mantel! Tom ging zum Wagen zurück, um den Mantel zu holen. Die Erde war hart und trocken, stellte er beim Zurücklaufen fest, er würde also keine Fußspuren hinterlassen. Er schleuderte den Mantel neben der Leiche zu Boden, rasch wandte er sich ab, stakste auf tauben, stolpernden Beinen wieder zum Wagen, er wendete den Wagen auf der Straße und fuhr zurück nach Rom.
Während der Fahrt wischte er mit seiner behandschuhten Linken den Lack der Wagentür ab, um die Fingerabdrücke zu beseitigen, nur die Wagentür außen hatte er berührt, bevor er seine Handschuhe angezogen hatte, dachte er. Auf der Straße, die im Bogen zum American Expreß führte, gegenüber dem »Florida«-Nachtclub, parkte er den Wagen, stieg aus und ließ ihn stehen, die Schlüssel am Armaturenbrett. Freddies Brieftasche trug er noch bei sich, aber das italienische Geld hatte er bereits in seine eigene Brieftasche übernommen, und einen Schweizer Zwanzigfrankenschein und ein paar österreichische Schillingnoten hatte er bei sich zu Hause verbrannt. Jetzt zog er Freddies Brieftasche hervor, und als er an einem Gully vorbeikam, beugte er sich hinab und ließ sie durch das Gitter plumpsen.
Nur zwei Dinge waren an der Sache nicht ganz in Ordnung, dachte er, während er seinem Hause zustrebte: Räuber hätten logischerweise den Mantel mitgenommen, denn es war ein guter Mantel, und auch den Paß hätten sie mitgenommen, der noch in der Manteltasche steckte. Aber nicht jeder Räuber handelte schließlich immer logisch, dachte er, vielleicht ein italienischer Räuber am allerwenigsten. Auch nicht jeder Mörder handelte logisch. Seine Gedanken wandten sich zurück zu der Unterhaltung mit Freddie. ». . . ein Italiener. Ein junges Bürschchen noch . . . « Irgend jemand war ihm irgendwann bis nach Hause nachgestiegen, dachte Tom, denn gesagt hatte er niemandem, wo er wohnte. Das schüchterte ihn ein. Zwei oder drei Laufburschen mochten wissen, wo er wohnte, aber ein Laufbursche säße ja wohl nicht gerade im Café »Greco«. Es schüchterte ihn ein und ließ ihn zusammenschrumpfen unter seinem Mantel. Er stellte sich ein dunkles, keuchendes junges Gesicht vor, das ihm heimwärts folgte, das hinaufstarrte, um zu sehen, welches Fenster hell wurde, nachdem er hineingegangen war. Tom krümmte sich zusammen in seinem Mantel und ging schneller, als liefe er vor einem irren, wilden Verfolger davon.
17
Es war noch nicht acht, als Tom am Morgen hinunterging, um die Zeitungen zu kaufen. Nichts. Es konnte Tage dauern, bis sie ihn fanden, dachte Tom. Wer sollte schon um so einen unbedeutenden Grabstein herumlaufen wie den, hinter welchen er Freddie gelegt hatte. Tom fühlte sich völlig sicher. Körperlich aber fühlte er sich elend. Er hatte einen Kater, diese schreckliche, nervöse Art von Kater, die ihn bei allem, was er anfing, auf halbem Wege innehalten ließ, sogar seine Zähne putzte er nur halb und hörte dann auf, um nachzusehen, ob sein Zug wirklich um halb elf fuhr oder nicht vielleicht um dreiviertel elf. Er fuhr um halb elf.
Um neun war er vollkommen fertig, er war angekleidet, Mantel und Regenmantel lagen auf dem Bett griffbereit. Er hatte sogar schon mit Signora Buffi gesprochen und ihr gesagt, daß er mindestens drei Wochen lang weg sein würde, vielleicht noch länger. Signora Buffi war gewesen wie immer, dachte Tom, seinen amerikanischen Besuch von gestern hatte sie mit keinem Wort erwähnt. Tom zerbrach sich den Kopf, was konnte er sie nur fragen, irgend etwas ganz Unverfängliches über ihr Gespräch mit Freddie gestern, woraus er schließen konnte, was Signora Buffi eigentlich dachte über Freddies Fragen, aber es fiel ihm nichts ein, und so beschloß er, es hübsch bleibenzulassen. Es war doch alles in Ordnung. Tom versuchte, sich den Kater wegzudiskutieren, er hatte ja nur ungefähr drei Martinis und drei
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