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Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley

Titel: Tom Ripley 01 - Der talentierte Mr Ripley Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patricia Highsmith
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Mantel, der Mantel knüllte sich unter ihm zusammen, Tom hatte nicht die Kraft oder den Mut, ihn glattzuziehen, obwohl es ihn störte, und er dachte darüber nach, wie traurig, blöd, ungeschickt, gefährlich und unnötig Freddies Tod war, wie brutal und unfair Freddie gegenüber. Natürlich - auch Freddie war ein Ekel gewesen. Ein selbstsüchtiger, blöder Hund, der einem seiner besten Freunde nachspionierte - ganz sicher war Dickie einer seiner besten Freunde -, bloß, weil er ihn der sexuellen Verirrung verdächtigte. Tom lachte nur über diese Phrase von der »sexuellen Verirrung«. Wo war denn der Sex? Wo war die Verirrung? Er blickte auf Freddie hinunter und sagte leise und voll Schmerz: »Freddie Miles, du bist das Opfer deiner eigenen schmutzigen Gedanken.«

16
    Er wartete schließlich doch bis fast acht Uhr, denn um sieben herum war das Kommen und Gehen im Hause gewöhnlich besonders lebhaft. Um zehn vor acht spazierte er hinunter, um sich zu vergewissern, daß Signora Buffi nicht im Hausflur herumwirtschaftete und daß ihre Tür nicht offenstand, und um sich davon zu überzeugen, daß wirklich niemand in Freddies Wagen saß, obwohl er schon am Nachmittag einmal unten gewesen war, um sich den Wagen anzuschauen und festzustellen, ob es auch Freddies Wagen war. Er warf Freddies Mantel auf den Rücksitz. Dann ging er wieder nach oben, kniete nieder und legte sich Freddies Arm um den Hals, er biß die Zähne zusammen und stand auf. Er schwankte, als er sich die schlotternde Last höher auf die Schultern schob. Schon am Nachmittag hatte er Freddie einmal hochgehoben, bloß um zu sehen, ob er es schaffte, und es war ihm kaum gelungen, auch nur zwei Schritte durchs Zimmer zu gehen mit Freddies Zentnern, die seine Füße gegen den Boden preßten, und jetzt war Freddie noch genauso schwer, aber zum Unterschied von vorhin wußte Tom, jetzt mußte er ihn wegschaffen. Er ließ Freddies Füße nachschleifen, um die Last ein klein wenig leichter zu machen, brachte es fertig, seine Tür mit dem Ellenbogen zuzuziehen, und begann die Treppen hinabzusteigen. Als er den ersten Treppenabsatz halb hinter sich hatte, blieb er stehen, er hörte, daß aus einer Wohnung im zweiten Stock jemand herauskam. Er wartete, bis dieser Jemand die Treppe hinunter und zur Haustür hinaus war, dann setzte er seinen langsamen, bumsenden Abstieg fort. Er hatte einen Hut von Dickie schön tief über Freddies Schädel gezogen, damit das blutverschmierte Haar nicht zu sehen war. Mit Hilfe einer Mischung aus Gin und Pernod, die er während der letzten Stunde in sich hineingegossen hatte, war Tom an einem genau berechneten Punkt der Trunkenheit angelangt, an dem Punkt, wo er sich mit einer gewissen Nonchalance und Geschmeidigkeit zu bewegen glaubte und zugleich doch mutig und sogar draufgängerisch genug war, um etwas zu wagen, ohne zu kneifen. Das erste Wagnis war, daß das Schlimmste passierte, was überhaupt passieren konnte, nämlich daß er ganz einfach unter Freddies Last zusammenbräche, ehe er ihn im Wagen hätte. Er hatte sich geschworen, im Treppenhaus nicht stehenzubleiben und sich auszuruhen. Und er tat es auch nicht. Und niemand kam aus irgendeiner Wohnungstür, und niemand trat durch die Haustür in den Flur. Während der vielen verwarteten Stunden oben in seiner Wohnung hatte Tom so quälende Bilder vor sich gesehen, so viel Schreckliches, was passieren könnte - Signora Buffi oder ihr Mann kämen aus ihrer Wohnung, gerade wenn er den letzten Treppenabsatz überwunden hätte, oder er bräche ohnmächtig zusammen, so daß man sie alle beide, Tom und Freddie, nebeneinander auf die Stufen hingestreckt fände, oder er wäre nicht imstande, Freddie wieder aufzuheben, wenn er ihn absetzen und eine kleine Pause machen müßte -, das alles hatte er sich mit solcher Deutlichkeit vorgestellt, schaudernd dort oben in seiner Wohnung, daß ihm jetzt, da er all die Treppen hinter sich gebracht hatte, ohne daß auch nur ein einziger seiner Alpträume sich verwirklicht hatte, zumute war, als schwebte er unter einer Art schützenden Zaubers hinunter, ganz leicht trotz der Masse auf seiner Schulter.
    Er blickte durch die Scheiben der Doppeltür. Die Straße sah aus wie immer. Auf der anderen Straßenseite ging ein Mann, aber immer ging jemand auf dem einen Gehsteig oder dem anderen. Mit einer Hand öffnete Tom die erste Tür, hielt sie mit dem Fuß auf und zerrte Freddies Füße hindurch. Zwischen den Türen schob er Freddie hinüber auf seine andere

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